Künstliche Intelligenz im Unternehmen nutzen: Das kann sie – und das nicht
An ChatGPT kommt gefühlt derzeit kaum jemand vorbei. Das Tool, das auf der Basis eines sogenannten Large Language Models (LLM) mit künstlicher Intelligenz (KI) große Datenmengen aus dem Internet analysiert und aufbereitet, kann Fragen beantworten sowie Texte zu vorgegebenen Themen verfassen. Der Chatbot, der Ende November 2022 von der Entwicklerfirma Open AI frei zugänglich gemacht wurde, wird längst weltweit millionenfach genutzt: Ob als Hausaufgabenhilfe, zur Textzusammenfassung oder sogar zum Redenschreiben. Klingt so, als könnten auch Unternehmen sich eine Menge Arbeit sparen, wenn sie auf künstliche Intelligenz setzen – oder?
Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom vom April 2023 plant immerhin jedes sechste Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten in Deutschland, KI-Anwendungen zur Textgenerierung (Generative KI) einzusetzen. Weitere 23 Prozent haben keine konkreten Planungen, können sich die Nutzung aber vorstellen. Offiziell eingesetzt werden laut Erhebung solche KI-Programme in den Unternehmen jedoch noch nicht.
Interne Nutzung kann hilfreich sein
Björn Bringmann, der beim Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte das AI-Institute leitet, rät kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU), sich Schritt für Schritt dem Thema KI anzunähern: „Bevor generative KI-Programme, die auf denselben Technologien wie ChatGPT aufbauen, für die automatische externe Kommunikation genutzt werden, sollten die Unternehmen sich zunächst mit der Technologie und deren Möglichkeiten vertraut machen und es für interne Zwecke nutzen.“ Diese Anwendungsmöglichkeiten, bei denen Mensch und Maschine kooperieren, schlägt der promovierte Informatiker vor:
- Texte schreiben: Mitarbeiter/-innen können das System beauftragen, zu einem bestimmten Thema einen Text zu verfassen. „Wer sich mit dem Formulieren schwertut, kann hier viel Zeit sparen und muss am Ende nur noch Korrekturlesen und an den Feinheiten feilen“, sagt der KI-Experte.
- Texte zusammenfassen: „Wer eine Zusammenfassung von einem längeren Text oder auch mehrerer Texte haben möchte, der kann diese einem generativen Sprachmodell bereitstellen und dieses instruieren, die wichtigsten Aspekte kurz und knackig wiederzugeben“, sagt Bringmann. Ein Anwendungsfall sei etwa die Zusammenfassung von wichtigen Fakten über einen Wettbewerber anhand von Zeitungsartikeln oder die Verkürzung von Berichten, um Kolleginnen und Kollegen Zeit beim Lesen zu sparen.
- Texte umschreiben: Ob die AGBs plötzlich in Reimform erscheinen sollen oder ein nüchterner Text nun blumig und voller Metaphern gewünscht ist – auch das Umschreiben von Texten in einer bestimmten „Tone of Voice“ kann mittels generativer KI erledigt werden. Das eignet sich etwa für Kommunikation im standardisierten Stil des Unternehmens.
- Inspiration und Ideensammlung: Gerade wenn man etwas Inspiration benötigt oder Ideen sucht, ist der interaktive Stil von ChatGPT & Co. sehr hilfreich. So kann man zum Beispiel nach ungewöhnlichen Ansätzen für einen Workshop fragen und dann durch Rückfragen die Inhalte im Austausch erarbeiten.
- Übersetzungen: Moderne Sprach-KIs wurden auf sehr viele verschiedene Sprachen trainiert und können grundsätzlich zwischen diesen übersetzen. Das ist aber nur dann sinnvoll, wenn das „Sprachpaar“ nicht in einem auf Übersetzungen spezialisierten Tool vorhanden ist, da ein solches aufgrund seiner Spezialisierung meist das bessere Ergebnis erzielt.
- Programmieren: Nicht nur bei Textaufgaben, sondern auch im Bereich Programmierung erweist sich generative KI als vielfältig und leistungsfähig – schließlich folgen auch Programmiersprachen grundsätzlichen linguistischen Mustern und Regeln. Gerade bei Basisaufgaben ist die Technologie nützlich; wenn es komplizierter wird, hat hingegen der Mensch (noch) die Oberhand.
Wenn künstliche Intelligenz halluziniert
Dass Bringmann sowohl Großunternehmen als auch den KMUs empfiehlt, generative KI zunächst nicht für die „unbegutachtete“ Kommunikation mit dem Kunden oder der Kundin zu nutzen, liegt daran, dass das System ab und zu halluziniert. „Die KI generiert mitunter Texte, die schlicht nicht der Wahrheit entsprechen, aber sehr überzeugend dargestellt sind“, erklärt der KI-Experte. „Die aktuellen Systeme sind darauf trainiert, Texte zu schreiben, wie Menschen dies tun. Sie können dabei leider nicht zwischen Wahrheit und Fiktion unterscheiden.“
Alle Ergebnisse und Texte sind daher immer mit Vorsicht zu genießen. „Das heißt aber auch für den Mitarbeiter, dass das Tool keine Aufgaben übernehmen kann, von denen er oder sie selbst nichts versteht. Es kann also keine Aufgaben ‚verantwortungsvoll‘ erledigen, die ich nicht selbst auch machen könnte. Denn alles, was die KI generiert, muss nochmal fachkundig auf Fehler überprüft werden.“ Somit können diese Programme und natürlich auch ChatGPT zwar eine Arbeitserleichterung darstellen, sind aber meist nur „menschlich betreut“ einsetzbar.
Was es noch zu beachten gibt beim Einsatz generativer KI-Systeme:
- Zuverlässigkeit des Systems: „Keiner weiß, ob das aktuell kostenfreie System ChatGPT morgen noch gratis verfügbar ist“, erklärt Bringmann. „Es sieht zwar alles danach aus, aber eine Garantie gibt es nicht.“ Hinzu komme, dass wegen knapper Rechenkapazitäten das System teilweise langsam arbeite oder gar nicht erreichbar sei. „Wer Dinge auf den letzten Drücker braucht, bekommt dann Probleme.“
- Unklarheiten beim Urheberrecht: Vor allem mit Blick auf das Urheberrecht sind aktuell noch viele Fragen offen. Denn wer urheberrechtlich geschützte Texte in das System einspeist und daraus neue schreiben lässt, verletzt womöglich Urheberrechte.
- Wie sieht es mit dem Datenschutz aus? Natürlich gilt auch hier die DSGVO. Dabei ist zu beachten, dass die Server von ChatGPT bisher in den USA stehen und die Unterhaltungen vom Anbieter aufgezeichnet und verwendet werden können. Entsprechende Vorsicht sollte man daher bei personenbezogenen und sensiblen Daten walten lassen.
- Begrenzte Textmenge: Bei aktuellen Sprachmodellen können nur relativ kurze Texte eingegeben und zusammengefasst werden. Die Grenze liegt bei wenigen tausend Wörtern.
Trotz dieser Einschränkungen der generativen KI hält es Bringmann für extrem wichtig, dass sich auch KMU mit diesem Thema intensiv beschäftigen. Der Hype um ChatGPT habe die Wahrnehmung rund um künstliche Intelligenz insgesamt angeschoben und mache deutlich, dass an dem Thema kein Unternehmen vorbeikomme. „Es ist sehr unklug, generative KI nicht auszuprobieren“, sagt er. „Aktuell kosten viele der Tools nichts, sind sehr intuitiv und eine gute Gelegenheit, ein Gefühl für das Thema zu bekommen, welches sich rasant weiterentwickelt.“