Wirtschaftsausblick: So wird 2023 für kleine und mittlere Unternehmen
Wie wird 2023 für Unternehmen in Industrie, Dienstleistung und Einzelhandel? Unser Chefökonom Carsten Brzeski gibt einen Ausblick.
Mit dem Jahr 2022 ist ein ereignisreiches Jahr zu Ende gegangen. Der Angriffskrieg in der Ukraine hat alles überschattet und das menschliche Leid ist mit nichts zu vergleichen. Wirtschaftlich brachte der Krieg in der Ukraine neue Lieferkettenstörungen zu den alten hinzu. Zusammen mit den Lebenshaltungskosten stieg die Unsicherheit und sowohl Haushalte als auch Unternehmen mussten sich an eine neue Realität gewöhnen, in der günstige Energie der Vergangenheit angehörte.
Nun stellt sich die Frage: Wie wird es 2023 weitergehen? Wir haben einen Blick in unsere frisch polierten Glaskugeln geworfen, um herauszufinden, welche Chancen und Herausforderungen das neue Jahr für kleine und mittlere Unternehmen bereithält. 2023 hat mit einigen positiven Nachrichten angefangen: niedrige Energiepreise, warmes Wetter und das Ende der Zero-Covid Strategie in China. Doch die deutsche Wirtschaft kämpft weiterhin mit der Rezession und wird die Nachwehen von 2022 wie Inflation und Zinserhöhungen deutlich spüren.
Hinzu kommt, dass es für die kommenden Jahre eine ganze Liste an strukturellen Herausforderungen gibt, die nicht nur Wirtschaftswachstum, sondern auch Wettbewerbsfähigkeit kosten werden. Man denke an die Energiewende, die Globalisierung, die sich im Wandel befindet, die alternde Gesellschaft und die Modernisierung der deutschen Infrastruktur. Kurzfristig bedeutet das einen Verlust der Wettbewerbsfähigkeit, langfristig bieten diese Herausforderungen enormes Investitions- und Wachstumspotenzial.
Doch was bedeuten diese gesamtwirtschaftlichen Herausforderungen 2023 für Unternehmen aus der Industrie, dem Dienstleistungssektor und dem Einzelhandel im Detail?
Das Jahr 2023 in der Industrie
Lieferkettenstörungen, hohe Rohstoffpreise und Wetterextreme. So in etwa könnte man das Jahr 2022 für die Industrie zusammenfassen. Wird es in diesem Jahr besser werden? Einige der Lieferkettenstörungen haben sich im Laufe des Jahres 2022 ein wenig abgeschwächt, so zum Beispiel die Überlastung des US-Hafens LA-Long Beach, wodurch die Frachtkosten wieder gesunken sind. Andere hingegen blieben bestehen und wir gehen auch davon aus, dass sie im Jahr 2023 anhalten werden. Chinas Covid-Politik bleibt unberechenbar, der Krieg in der Ukraine und die in diesem Zusammenhang verhängten Sanktionen beeinflussen den Handel weiterhin. Die globalen Lieferketten werden also auch noch im Jahr 2023 zerbrechlich bleiben und der Industrie Gegenwind bieten.
Was die Rohstoffpreise betrifft, war das vergangene Jahr geprägt von Volatilität, Versorgungsängsten und extremen Preisanstiegen. Die Unsicherheit wird auch im Jahr 2023 hoch bleiben und der Winter 2023/2024 wird erneut ein herausfordernder. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass Europa es schafft die Gasspeicher im selben Tempo zu befüllen wie im vergangenen Jahr. Um dennoch dafür Sorge zu tragen, dass die Gasspeicher befüllt werden können, wird die Nachfrage über einen hohen Preis gedrosselt werden. Doch nicht nur der Gasmarkt wird 2023 angespannt bleiben, auch andere Rohstoffe und somit auch die Erzeugung der Vorprodukte wird sich auf hohen Niveaus halten.
Insgesamt wird das deutsche Geschäftsmodell, das auf dem Importieren von günstiger Energie und dem Exportieren von Waren fußt, durch die neue Realität direkt ins Herz getroffen und muss überarbeitet werden. Gelingt der deutschen Wirtschaft die erfolgreiche grüne Transformation, sind auch wieder optimistischere Aussichten drin – das sind dann aber eher die guten Vorsätze für 2024.
Das Jahr 2023 im Dienstleistungssektor und im Einzelhandel
Spieglein, Spieglein an der Wand – zeig mir die Konsumstimmung im Land. „Lieber nicht“, dachte sich unser Spiegel, und ist in 1000 Teile zersprungen. Denn die Konsumstimmung erreichte im vergangenen Jahr historische Tiefstwerte. Was nicht weiter verwunderlich ist, denn nicht nur die Kosten für Energie, sondern auch für Lebensmittel und somit für die Lebenshaltungskosten insgesamt sind im vergangenen Jahr deutlich angestiegen. Während das insbesondere für Haushalte mit geringen Einkommen, die vergleichsweise viel vom verfügbaren Einkommen für Wohnen, Energie und Nahrungsmittel ausgeben müssen, trifft, ist davon auszugehen, dass der private Konsum auf breiter Front belastet bleibt. Denn im vergangenen Jahr wurde der private Konsum zum Teil noch von Nachholeffekten im Zuge der coronabedingten Lockerungsmaßnahmen unterstützt – diese Nachholeffekte werden wir 2023 nicht mehr sehen. Für dieses Jahr ist eher von Sparnachholeffekten auszugehen.
Was die Gesamtinflation betrifft, erwarten wir zwar nicht, dass sie im Jahr 2023 weiterhin im zweistelligen Bereich liegen wird, allerdings wird sie ebenso wenig den Zielwert der EZB von 2 Prozent erreichen. Und so gut niedrigere Inflationsraten klingen, es darf nicht vergessen werden, dass diese nicht bedeuten, dass das alltägliche Leben günstiger wird. Es verteuert sich im Vergleich zum Vorjahr nur nicht mehr so stark. Da wir nicht davon ausgehen, dass die Löhne stark genug ansteigen werden, um die Inflation des vergangenen und des aktuellen Jahres auszugleichen, erleben die Verbraucherinnen und Verbraucher real einen Einkommensverlust. Hinzukommt, dass viele Energieanbieter die Preise erst zum 01.01. des Jahres 2023 anheben – der richtig tiefe Einschnitt in die Haushaltskasse wird für viele also erst in diesem Jahr anstehen.
Wie tief diese Einschnitte ausfallen werden, hängt unter anderem auch davon ab, wie erfolgreich die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen wie Gas- und Strompreisbremse wirken werden. Sicherlich werden diese Maßnahmen die negativen Kräfte, die weiterhin auf den privaten Konsum wirken werden, abfedern. Völlig ausgleichen werden sie sie aber nicht.
Dementsprechend wird das Jahr 2023 für den Dienstleistungssektor ein herausforderndes werden. Ebenso wie für die Industrie und somit für die deutsche Wirtschaft insgesamt. Trösten kann man sich mit dem Gedanken, dass jede Herausforderung auch Chancen bereithält, die es zu nutzen gilt. Und die Deutschland langfristig nutzen muss, um an Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen.