Unser Chefvolkswirt äußert sich kurz und prägnant zu aktuellen volkswirtschaftlichen Entwicklungen und Ereignissen. Die konjunkturellen Entwicklungen in Deutschland und Europa, Entscheidungen der Zentralbanken sowie Trends an den internationalen Finanzmärkten bilden dabei die Schwerpunkte seiner Kommentare.
Carsten Brzeski
Chefvolkswirt
Seit März 2013 ist Carsten Brzeski Chefvolkswirt für Deutschland und Österreich der ING. Er ist seit Anfang 2008 Mitglied des Research Teams der ING Bank und anerkannter Experte für wirtschaftliche und politische Entwicklungen in Deutschland und Europa, einschließlich der Geldpolitik der EZB.
Eine Woche nach der Europäischen Zentralbank – und ganze drei Monate nach der ersten Zinssenkung der EZB im Juni – hat die Fed nun auch für die USA den Zinssenkungszyklus eingeleitet. Mit einem kräftigen Schritt von einem halben Prozentpunkt hat sie so manchen Beobachter überrascht und gibt wohl auch für die nähere Zukunft wieder den Ton an. Inga Fechner und Sebastian Franke beleuchten die Gründe für die Entscheidung und schauen nicht nur nach Westen über den Atlantik, sondern auch in östlicher Richtung auf die Bank of Japan.
Die in dieser Woche beschlossene Senkung der US-Leitzinsen um 50 Basispunkte, also 0,5 Prozentpunkte, fiel etwas stärker aus, als viele Ökonomen zuletzt erwartet hatten. Stabile Arbeitsmarktzahlen und etwas höhere Inflation als erwartet hatten eher auf einen Schritt von 25 Basispunkten hingedeutet. Letztlich entschied das Federal Open Market Committee aber das, was die Märkte bereits eingepreist hatten.
Nachdem die Europäische Zentralbank auf der letzten Ratssitzung keine Änderung beschlossen hatte, gab es nun nach den Sommerferien die erwartete Zinssenkung um 25 Basispunkte. Klar scheint, dass die Zinsen auf absehbare Zeit nur noch sinken werden – weniger klar ist, in welchem Tempo das passieren wird. Im Gespräch mit Sebastian Franke ordnet Carsten Brzeski die jetzige Entscheidung ein und gibt einen Ausblick auf die mögliche weitere Entwicklung.
Nicht erst seit letzter Woche warnen Unternehmen in Deutschland vor einem zunehmenden Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. Doch dass Volkswagen, Deutschlands größter Autobauer, größter industrieller Arbeitgeber und weltweite Nummer zwei hinter dem japanischen Autobauer Toyota, Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr ausschließt, zeigt, wie tief die deutsche Industrie mittlerweile in einer Krise steckt. Spätestens seit dem Ausbruch der Corona-Krise und dem russischen Angriff auf die Ukraine funktioniert die deutsche Kombination aus Exportmodell und billiger Energie nicht mehr. Doch ein Abgesang auf den deutschen Industriestandort ist (noch) verfrüht. Denn gemessen an der Bruttowertschöpfung steht die Industrie besser da als in den Jahrzehnten davor. Wie passt das zusammen?
Wem es in der Vergangenheit ein bisschen zu theoretisch zuging, wenn wir über die vielfältigen strukturellen Probleme und Schwachstellen Deutschlands gesprochen haben, dem liefern wir heute ein durchaus plastisches Beispiel. Wie unser Chefvolkswirt Carsten Brzeski im Gespräch mit Franziska Biehl erklärt, steht die Ankündigung möglicher Umstrukturierungen bei einem der bekanntesten deutschen Autobauer symbolisch für einen Weckruf an die gesamte deutsche Wirtschaft. Bei nur einem Weckruf ist es diese Woche allerdings nicht geblieben – auch die Ergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen dürften in Berlin die Alarmglocken zum Schrillen gebracht haben. Wirtschaftspodcast oder True-Crime-Sendung? Unsere Ökonomen sind sich da diese Woche nicht so sicher.
Gute Nachrichten kamen letzte Woche aus Wiesbaden: Die deutsche „headline inflation“, also der berichtete Gesamtwert für die Preissteigerung, lag gemessen am Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts im August bei voraussichtlich 1,9 Prozent nach 2,3 Prozent im Juli – das ist der niedrigste Wert seit über drei Jahren.
Nach einem Rückblick auf den eigenen Sommerurlaub und den Tourismus insgesamt holen die aktuellen BIP-Zahlen unsere Ökonomen schnell wieder zurück in die harte Realität: Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal geschrumpft. Und beim Blick auf die momentanen Stimmungsindikatoren verspüren Inga Fechner und Sebastian Franke nicht viel Zuversicht hinsichtlich einer schnellen Wende. Angesichts eines weiterhin soliden Lohnwachstums rettet uns aber vielleicht der inländische Konsum – immerhin stehen bereits die Vorboten des Weihnachtsgeschäfts in Form von Lebkuchen in den Supermärkten.
Mit den in der vergangenen Woche veröffentlichten Makrodaten aus Deutschland und der Eurozone verhielt es sich in etwa so wie mit einem verzauberten Prinzen. Auf den ersten Blick scheint es ziemlich deutlich, was man da vor sich hat. Allerdings kann der erste Blick durchaus täuschen und erst der Blick unter die Oberfläche gibt die Realität preis. Bloß werden auf den zweiten Blick nicht zwangsläufig alle Frösche zu Prinzen. Es soll auch vorkommen, dass ein Königskind plötzlich wieder klein und grün wird und quakt.
Carsten Brzeski berichtet im Rahmen seiner monatlichen YouTube-Beiträge unter dem Motto „Neues über die Märkte, Neues aus der Wirtschaft“ über aktuelle volkswirtschaftliche Ereignisse und Entwicklungen, Entscheidungen der EZB sowie Trends an den internationalen Finanzmärkten.
Für manche sind sie ein willkommener Vorbote der festlichen Jahreszeit, andere sehen in ihrem gefühlt von Jahr zu Jahr früheren Erscheinen nur ein Symbol der kommerziellen Durchtaktung des Kalenders. Ganz egal, welcher Fraktion man angehört: Sobald im Spätsommer die ersten Lebkuchen in den Supermarktregalen auftauchen, wird in den sozialen Netzwerken heiß diskutiert.