Alles beim Alten?
Mit den Wirtschaftsprognosen für das nächste Jahr ist es immer mehr so wie mit dem Verkauf von Weihnachtsartikeln im Supermarkt: sie fangen immer früher an. Konnte man in der Vergangenheit noch ruhig bis in den Dezember warten, um die Ergebnisse kollektiven Glaskugellesens zu genießen, wird man mittlerweile schon Anfang November überspült von Ausblicken, Pessimismus und Optimismus. Die Ausblicke sagen dabei allerdings häufig mehr über die aktuelle Situation als über die Zukunft. Der Ausblick für 2019 macht da keine Ausnahme.
Die Unruhe und Unsicherheit über den zukünftigen Kurs der Weltwirtschaft wird sich nicht so schnell legen. Zu groß sind die negativen Risiken. Ob nun ein harter Brexit, der jedenfalls kurzfristig im zweiten Quartal zu Tumulten an Märkten und europäischer Wirtschaft führen könnte, eine Eskalation des Handelskrieges, geopolitische Spannungen und weitere Turbulenzen in Schwellenländern oder eine neue existentielle Eurokrise, ausgelöst durch die haushaltspolitischen Eskapaden Italiens oder schwächelnde Banken in einem oder mehreren Euroländern.
Keines dieser Themen wird sich über Nacht in Luft auflösen und selbst positive Entwicklungen können von notorischen Schwarzmalern immer wieder als ‚kurzfristig‘ und ‚nicht nachhaltig‘ beschrieben werden. Trotzdem gibt es einige Gründe, um (mindestens gemäßigt) positiv auf das Jahr 2019 zu schauen.
Allen Ängsten eines Abschwungs zum Trotz, es gibt kein ökonomisches Gesetz, dass Konjunkturaufschwünge an Altersschwäche sterben. Auch wenn der Aufschwung in den USA und auch in Deutschland etwas an Schwung verliert – der Anfang vom Ende sieht anders aus. Niedrige Arbeitslosigkeit, leichte Lohnzuwächse und im Falle Deutschlands ein schwacher Wechselkurs. Das sind schon einmal gute Grundvoraussetzungen für solides Wachstum. Hinzu kommen Investitionen, die in Deutschland und der Eurozone das „nächste große Ding“ werden könnten. Niedrige Zinsen, Digitalisierung und expansive Haushaltspolitik geben Anlass für Optimismus.
Auch die großen „externen“ Risiken könnten durchaus bleiben, was sie sind: Risiken, aber keine Tatsachen. Eine Entspannung des Handelskonflikts gibt es seit dem G20-Treffen jetzt schon unter dem Weihnachtsbaum. Eine Verlängerung der Brexit-Saga, entweder mit längerer Übergangsfrist oder Neuwahlen und Referendum in Großbritannien, scheint immer noch wahrscheinlicher als ein harter Brexit im April. Viele Schwellenländer könnten vom Fall ihrer Währungen im Jahr 2019 mit stärkeren Exporten profitieren und in der Eurozone ist „durchwurschteln“ mit leicht positiven Akzenten wie weiteren Euro-Reformen ein nicht unwahrscheinliches Szenario.
Vor dem Hintergrund einer Weltwirtschaft, die sich nächstes Jahr eher horizontal bewegen wird, sollte sich auch die Zinswende weiterhin sehr moderat gestalten. In den USA sollte die Fed spätestens im Frühsommer 2019 die Zinsnormalisierung beendet haben und in der Eurozone könnte es zeitlich eng werden für Mario Draghi, um nicht als erster EZB Präsident, der niemals die Zinsen erhöhte, in die Geschichte einzugehen.
Und so bleibt 2019 (fast) alles wieder mal beim Alten: der ganz normale Wahnsinn von Risiken, Unsicherheiten und Volatilität, unter dem sich eigentlich eine solide Wirtschaftsentwicklung versteckt. Nur die Jahresausblicke 2020 kommen noch ein paar Wochen lang. Dann mal hoffen, dass sie nicht so pappig und alt schmecken, wenn das neue Jahr losgeht wie die Lebkuchen, die man zu Weihnachten essen möchte, aber schon im September im Laden gekauft hat.