Unser Chefvolkswirt äußert sich kurz und prägnant zu aktuellen volkswirtschaftlichen Entwicklungen und Ereignissen. Die konjunkturellen Entwicklungen in Deutschland und Europa, Entscheidungen der Zentralbanken sowie Trends an den internationalen Finanzmärkten bilden dabei die Schwerpunkte seiner Kommentare.
Carsten Brzeski
Chefvolkswirt
Seit März 2013 ist Carsten Brzeski Chefvolkswirt für Deutschland und Österreich der ING. Er ist seit Anfang 2008 Mitglied des Research Teams der ING Bank und anerkannter Experte für wirtschaftliche und politische Entwicklungen in Deutschland und Europa, einschließlich der Geldpolitik der EZB.
Am vergangenen Montag hieß es vielerorts wieder Alaaf, Helau, Alleh Hopp und Ahoi! Nach zwei Corona-bedingten Pausen zogen erstmals wieder Rosenmontagszüge durch die Karnevalhochburgen. Das Highlight großer und kleiner Besucher sind häufig die von den Festwagen in die Menge geworfenen Kleinigkeiten – kein Wunder, denn, zumindest in Summe, haben diese einen ordentlichen Wert.
Diese Woche steht auch bei unseren Ökonomen vollständig im Zeichen der Romantik – nur haben sie unter Umständen eine andere Auffassung davon. Anstatt Blumensträußen verteilt Franziska Biehl im Gespräch mit Sebastian Franke Beziehungstipps nach Volkswirtinnen-Art. Außerdem sprechen die beiden darüber, wie ein einstiges Tabuthema durch die Inflation zum romantischen Icebreaker wurde. Mit dabei ist heute außerdem Tom Ungar, der sich spontan zu einer Liebeserklärung an den Arbeitgeber hinreißen lässt.
Wussten Sie eigentlich, dass Volkswirte wahnsinnig gute Beziehungsratgeber sind? Zwischenmenschliche Beziehungen häufiger einmal durch die ökonomische anstatt die rosarote Brille zu betrachten, kann wirklich nicht schaden, wenn man den romantischen Part im Leben möglichst wohlfahrtssteigernd gestalten möchte. Auch wenn das zunächst zu gegensätzlich klingt. Ein wenig verspätet gibt es daher von uns einen kleinen Strauß Ratschläge statt Rosen – es lebe die Ökonomen-Romantik.
Sehr facettenreich und begleitet von statistischen Störgeräuschen kam in dieser Woche die Januarinflation daher. Echte disinflationäre Momente waren, trotz Vielseitigkeit, allerdings nicht zu erkennen – weswegen nicht nur die Kerninflation, sondern auch die EZB-Leitzinsen für länger hoch liegen werden. Denn, wie Carsten Brzeski im Gespräch mit Franziska Biehl erklärt, denkt sicherlich keiner der Europäischen Zentralbanker an eine baldige Zinssenkung. Auch wenn die Märkte sich das gerne vorstellen, wie auch Daniel Rohde, unser ökonomischer Neuzugang, schon bemerkt hat.
„Na, wenigstens etwas!“ So oder so ähnlich hat im Laufe des letzten Jahres wahrscheinlich der eine oder andere Arbeitnehmer beim Blick auf den Gehaltseingang auf dem Kontoauszug reagiert. Und tatsächlich konnten sich viele Deutsche 2022 über eine Gehaltserhöhung freuen. Im Durchschnitt stiegen die Löhne im Vergleich zum Jahr 2021 um 3,4 Prozent (laut vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes). Dieser nominelle Anstieg der Löhne entspricht der größten jährlichen Steigerung seit fast drei Jahrzehnten.
Die Finanzmärkte hatten 50 Basispunkte erwartet, die Europäische Zentralbank hatte 50 Basispunkte in Aussicht gestellt, auf der gestrigen EZB-Ratssitzung wurde eine Leitzinserhöhung von 50 Basispunkten beschlossen. So weit, so langweilig. Könnte man denken. Doch die begleitende Kommunikation treibt Carsten Brzeskis Blutdruck in die Höhe. Wo will die EZB hin, wie will sie dorthin kommen – und woran will sie überhaupt festmachen, ob sie angekommen ist? Auf der gestrigen Pressekonferenz wurde das nicht klar. Im Gespräch mit Sebastian Franke versucht unser Chefvolkswirt dennoch, Antworten auf diese Fragen zu finden.
Im vergangenen Jahr hat die EZB die Leitzinsen in nur 6 Monaten um insgesamt 250 Basispunkte angehoben und steckt damit im aggressivsten Zinserhöhungszyklus, den der Euroraum je gesehen hat. Bis Zinserhöhungen, so umfangreich sie auch sein mögen, dann wirklich in niedrigerer Inflation resultieren, braucht es zwar einige Monate – doch die geldpolitischen Maßnahmen haben definitiv schon ihren Weg in die Realwirtschaft gefunden.
Gibt es wirklich vollkommene Information, perfekte Erwartungen und rationale Marktteilnehmer? Nicht alles, was in den volkswirtschaftlichen Kursen in der Uni gelehrt wurde, würden unsere Ökonomen in der Realität unterschreiben. Sebastian Franke und Franziska Biehl sprechen über in die Jahre gekommene Annahmen und neue Erkenntnisse – und darüber, warum die Europäische Zentralbank gut daran täte, sich insbesondere mit geldpolitischer Unsicherheit zu beschäftigen. Diese dürfte nämlich hoch sein, wenn man betrachtet, wie die Marktzinsen auf die jüngsten Zinsentscheidungen der EZB reagieren.
Die Deutschen und ihr Bargeld, das war lange eine ganz besondere Beziehung. Münzen und Scheine waren den Konsumenten hierzulande stärker ans Herz gewachsen als anders-wo in Europa. Als mit Eintritt der Corona-Pandemie 2020 Kontaktvermeidung das Gebot der Stunde war, nahm die bevorzugte Nutzung von Bargeld deutlich ab.
Der Abgesang auf die Globalisierung ertönt aktuell im Chor aus der ganzen Welt – zuletzt konnten die Klänge deutlich vom Weltwirtschaftsforum in Davos vernommen werden. Doch Deglobalisierung bedeutet noch lange nicht das Ende unserer vernetzten Welt, wie unser Chefvolkswirt Carsten Brzeski im Gespräch mit Franziska Biehl erklärt. Das Stichwort könnte außerdem viel mehr „Regionalisierung“ lauten – also, Handel mit den weniger weit entfernt wirtschaftenden Nachbarn. Und wäre es wirklich Carstens Corner, wenn nicht auch die zu wünschen übrig lassende Kommunikation der EZB thematisiert würde?