Chart of the Week | 08.03.2019

Mehr Männer in freiwillige Teilzeit!

4 min Lesedauer 08.03.2019

Heute dürfen sich Frauen in vielen Teilen der Welt über eine kleine Aufmerksamkeit in Form von Blumen oder Geschenken freuen, denn am 8. März wird bereits seit über 100 Jahren der Internationale Frauentag gefeiert. Und nicht nur das. In Russland, Vietnam, Burkina Faso oder vielen weiteren Ländern haben Arbeitnehmer sogar einen freien Tag, um die Errungenschaften von Frauen zu feiern – und auch Berlin hat den Internationalen Frauentag in diesem Jahr zu einem Feiertag erkoren.

 

Dass es jedoch neben dem Feiern des Frauentages immer noch Debatten und Initiativen bedarf, zeigen die Zahlen: Weltweit verdienen Frauen 63% weniger als Männer. In Deutschland lag der unbereinigte Lohnunterschied im Jahr 2016 zwischen Männern und Frauen immer noch bei 21%, was der dritthöchste Wert innerhalb der EU ist. Nur in Estland und in Tschechien ist die Lücke noch größer.

 

Dass gerade hierzulande die unbereinigte Lohnlücke im EU-Vergleich so hoch ausfällt, liegt unter anderem an der hohen Teilzeitbeschäftigung von Frauen. Ende 2018 war fast jede zweite erwerbstätige Frau von 15 bis 64 Jahren (47 %) in Teilzeit tätig, womit Deutschland 15%-Punkte über dem EU-Durchschnitt liegt. Doch die Teilzeitbeschäftigung bei Männern ist auf dem Vormarsch, wie unser Chart der Woche zeigt – wenn auch langsam. Waren 2003 noch 5% der erwerbstätigen Männer in Deutschland im Alter von 15 bis 64 Jahren gemessen an der männlichen Gesamtbeschäftigung in Teilzeit beschäftigt, so waren es 2018 schon 10%. Immerhin 1%-Punkt über dem EU-Durchschnitt. In nächster Zeit nicht zu schlagen sind dagegen die Niederländer: Hier ist bereits über jeder vierte erwerbstätige Mann in Teilzeit beschäftigt. Schlusslicht ist Bulgarien, gegenüber dem 3. Quartal 2003 ist der Anteil der Teilzeitbeschäftigten sogar leicht gesunken.  

Anteil der 15-64 Jährigen erwerbstätigen Männer in Teilzeit (in % der männlichen Gesamtbeschäftigung)

Auch wenn die Teilzeitbeschäftigung von Männern in Deutschland steigt, ist diese nicht immer freiwillig. So gaben 2017 19% der in Teilzeit beschäftigten Männer und 10% der Frauen im Alter von 20 bis 64 Jahre an, unfreiwillig in Teilzeit zu arbeiten, da sie keinen ganztägigen Arbeitsplatz finden konnten. Und bei den freiwilligen Gründen für Teilzeitarbeit sind wir dann wieder bei alten Mustern: Während Frauen sich überwiegend aufgrund der Betreuung von Kindern oder sonstigen familiären Verpflichtungen für weniger Arbeitsstunden entscheiden, war dies bei Männern hauptsächlich aufgrund von Ausbildung oder beruflicher Fortbildung der Fall. [1]

 

Dass der unbereinigte Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen so hoch ausfällt, ist also vor allem auf unterschiedliche Lebensmodelle zurückzuführen, die zu strukturellen Unterschieden in der Berufswahl, im Beschäftigungsumfang oder in der Berufserfahrung führen. Nicht jeder möchte in Vollzeit arbeiten, stattdessen seine Work-Life-Balance aktiv gestalten und Zeit mit der Familie verbringen. Nichtsdestotrotz offenbart auch der um diese strukturellen Unterschiede bereinigte Gender Pay Gap immer noch eine Lücke von rund 6%. Auch über 100 Jahre nach der Einführung des Internationalen Frauentages lohnt es daher, sich die Zahlen und Gründe für die unterschiedlichen Entwicklungen näher anzuschauen und kleine Schritte Richtung Gleichberechtigung zu unternehmen – in beide Richtungen. Dass sich unterschiedliche Lebensmodelle aber auch in anderen Bereichen auszahlen können, zeigt ein Blick in unsere Studie zusammen mit dem ZEW zum Spar- und Investitionsverhalten von Frauen und Männern: Denn in schwierigen Märkten haben Frauen anlegetechnisch besser abgeschnitten als ihre männlichen Pendants. Im derzeitigen unsicheren Marktumfeld ein Grund mehr, den Internationalen Frauentag gebührend zu feiern!

 

[1] Statistisches Bundesamt, Arbeitsmarkt auf einen Blick – Deutschland und Europa, 2018

Autor: Inga Fechner