Börsenfrust dank Wetter und Zeitumstellung?
Chart of the Week
Schwache Makrodaten, dünne Auftragsbücher, hohe Inflation, geopolitische Risiken – die Liste an Einflussfaktoren für momentanen Börsen-Pessimismus ist lang. Wie wäre es da mit alternativen Ansätzen? Lassen Sie uns einmal über den fundamentalen Tellerrand hinausschauen und einige Börsenweisheiten untersuchen.
Bewusst oder unbewusst: Anleger verhalten sich nicht rational, sondern lassen ihre Entscheidungen von Gefühlen, Emotionen und Entscheidungen anderer Marktteilnehmer leiten. Besonders das Wetter wirkt sich auf den Alltag des menschlichen Lebens aus. Es bestimmt nicht nur die Erträge aus Landwirtschaft oder Produktion, sondern hat auch einen Effekt auf die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen. Sonnenstunden, Temperatur und frische Luft: All das beeinflusst die Konzentration, die Aufnahmebereitschaft für neue Informationen und hebt die Stimmung. So haben Untersuchungen gezeigt, dass bei sonnigem Wetter mehr Trinkgeld und mehr Geldzuwendungen an Bedürftige gegeben werden, da gutes Wetter Großzügigkeit und Optimismus fördert. Dagegen sank bei hoher Luftfeuchtigkeit die Konzentration, Schläfrigkeit und Müdigkeit nahmen zu, während wenig Sonnenlicht und schlechtes Wetter mit schlechter Stimmung und Depressionen assoziiert sind.
Doch was bedeutet das für die Börse? Sorgt gutes Wetter für positive Stimmung und damit für mehr Rendite, da Anleger optimistischer und risikobereiter anlegen, während schlechtes Wetter für schlechte Stimmung sorgt und zu geringeren Erträgen führt, da Anleger sichere Investitionen bevorzugen und riskante Anlagen meiden? In der ersten empirischen Untersuchung zum Einfluss von Wetterphänomenen auf den Aktienmarkt zeigte Saunders 1993 einen signifikanten negativen Effekt von Bewölkung auf die Renditen ausgesuchter Börsenindizes der New York Stock Exchange. Die untersuchten Daten zwischen 1927 und 1989 ergaben, dass bei 100%iger Bewölkung die Renditen signifikant unter dem Durchschnitt lagen, während sie sich bei Sonnenschein (definiert als 0- 20%ige Bewölkung) signifikant über dem Durchschnitt befanden. Somit fielen Renditen an bewölkten Tagen öfter negativ aus als an sonnigen Tagen. Daraus schlussfolgerte er, dass das Wetter durchaus die Stimmung der Anleger beeinflusst, was sich wiederum bei Sonne positiv und bei starker Bewölkung negativ auf die Renditen auswirkt. Ausgehend von dieser Studie hat sich eine Vielzahl von Studien mit dem Wettereinfluss auf das Investorenverhalten beschäftigt. Nicht immer konnte dabei jedoch ein Zusammenhang gefunden werden.
Auch die Zeitumstellung, die zweimal im Jahr erfolgt und ungefähr ein Viertel der Weltbevölkerung betrifft, wirkt sich auf unseren Gemütszustand aus. Durch die einstündige Verschiebung im Frühling und im Herbst wird der Bio-Rhythmus des menschlichen Körpers durcheinandergebracht, der sich teilweise erst mit einer Woche Verzögerung der Zeitumstellung anpasst – ein „Mini-Jetlag“ wird ausgelöst. Diese Störung des normalen Schlafzyklus’ kann sich in Ängsten, Ungeduld oder Unachtsamkeit niederschlagen. Dadurch müssten Renditen an einem Montag nach einem Wochenende mit Zeitumstellung geringer ausfallen als an regulären Montagen. Tatsächlich fanden Kamstra, Kramer und Levi im Jahr 2000 anhand von Indizes für die USA, Kanada, England und Deutschland einen signifikanten negativen Effekt.
Veränderung des Dax nach Wochenenden mit Zeitumstellung (Sommer- auf Winterzeit) versus nach regulären Wochenenden
Doch gelten die Effekte auch heute noch? Unser Chart der Woche zeigt zumindest keinen erkennbaren Trend hin zu einer schlechteren Performance nach erfolgter Zeitumstellung im Herbst. Nach den Wochenenden, an denen die Uhr von Sommer- auf Winterzeit gestellt wurde, lag der Schlusskurs des Dax in den vergangenen zehn Jahren nicht zwangsläufig unterhalb des Schlusskurses vom Freitag. Im Gegenteil, in sechs der zehn vergangenen Jahre schloss der Dax nach Zeitumstellungswochenenden sogar höher als an „normalen“ Wochenenden. Auch wenn zahlreiche Studien tatsächlich zeigen konnten, dass sachfremde Faktoren wie Sonnenschein, Bewölkung oder Zeitumstellung einen statistisch signifikanten Einfluss auf Aktienkurse haben, so ist der Effekt derart gering, dass er spätestens durch die Transaktionskosten wieder eliminiert wird. Letztlich lassen sich Anleger und Märkte nicht auf einige wenige Anomalien zurückführen, denn Fundamentaldaten behalten dann doch die Überhand. Und das zeigt sich dann auch wieder beim Wetter. Denn wenn extreme Wetterereignisse wie Dürre oder Überschwemmungen zu Produktionsausfällen und Lieferverzögerungen führen, schlägt das auch auf die Wirtschaftsleistung – und final dann doch auch wieder auf die Stimmung.