Mind the Gap!
Chart of the Week | 16.03.2018
Am 18. März ist „Equal Pay Day“. Dieses Datum hat die gleichnamige Kampagne ausgewählt, um die noch immer unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen in Deutschland zu symbolisieren. Nach Angaben der Kampagne ergibt sich aus einem „Gender Pay Gap“ von 21 Prozent ein Zeitraum von 77 Tagen jährlich, den Frauen gegenüber Männern quasi unentgeltlich arbeiten – und diese 77 Tage sind in diesem Jahr am 18. März verstrichen.
Ein großer Teil des Entgeltunterschiedes ist darin begründet, dass Frauen in bestimmten, besser entlohnten Berufen und Karrierestufen unterrepräsentiert sind. Für vergleichbare Tätigkeiten reduziert sich der Unterschied auf rund 6 Prozent, so zumindest die letzte diesbezügliche Erhebung im Jahre 2014. Aber oft sind es strukturelle Gründe, wie die Folgen des immer noch eher traditionellen Familienbildes in Deutschland, die die Erwerbsbiografien von Frauen anders aussehen lassen als die von Männern – man denke nur an Themen wie Kindererziehung und Elternzeit. Auch bei alleinerziehenden Elternteilen, für die oft nur eine Erwerbstätigkeit in Teilzeit in Frage kommt, handelt es sich überwiegend um die Mütter.
Die Unterschiede in der finanziellen Situation schlagen sich auch im Umgang mit Geld nieder. Unser Chart der Woche stellt für Männer und Frauen in Deutschland die Antworten auf die Frage gegenüber: Was würden Sie mit einem Betrag von 200 Euro tun, den Sie ein Jahr lang monatlich erhalten würden – steuerfrei und ohne das Geld irgendwann zurückzahlen zu müssen? Hintergrund dieser Frage, die im Rahmen einer Umfrage der ING-DiBa in 13 europäischen Ländern gestellt wurde, war ursprünglich die Diskussion über „Helicopter Money“ – also Geld, welches die Europäische Zentralbank zur Ankurbelung der Inflation direkt an die Bürger der Eurozone auszahlen würde (wozu es bekanntlich nie kam). Aber in den Antworten zeigen sich auch die Konsequenzen der unterschiedlichen Entgeltsituationen von Frauen und Männern.
So geben Männer wie Frauen zu rund einem Drittel an, einen solchen Geldsegen ausgeben zu wollen. Aber Frauen, insbesondere alleinstehende und alleinerziehende, weisen einen höheren Anteil auf, der mit diesem Geld lediglich notwendige Ausgaben wie die für Miete oder Lebensmittel bestreiten würde – und einen entsprechend geringeren Anteil, der sich in Form nicht notwendiger Ausgaben, zum Beispiel eines Urlaubs, etwas gönnen würde.
Auch ist bei Männern der Anteil der Befragten, die das Geld sparen würden, geringer – dafür würde ein deutlich höherer Anteil als bei Frauen das Geld anlegen. Dies könnte auf eine allgemein größere Risikobereitschaft bei Männern hinweisen, kann aber ebenfalls Ausdruck unterschiedlicher Vermögensverhältnisse sein: Denn ein Investment kommt nur für den in Frage, der die Reserven hat, um möglicherweise daraus entstehende Verluste tragen zu können. Was noch auffällt: Unter alleinstehenden Frauen mit Kind(ern) würden fast 23 Prozent das Hubschraubergeld weder ausgeben noch auf die hohe Kante legen, sondern es zur Abzahlung von Schulden verwenden. Der Durchschnittswert liegt nur bei rund 12 Prozent, also etwa halb so hoch: Verschuldung ist in dieser Gruppe offensichtlich ein größeres Problem als anderswo.
Diese Zahlen werfen nur ein kleines Schlaglicht auf ein größeres Problem, aber sie illustrieren die unterschiedlichen Prioritäten, die sich aus Verdienstunterschieden ergeben. Aktuell vertiefen Niedrigzinsen und hohe Aktienkurse die Vermögens- beziehungsweise Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen. Das eher auf Vermögenserhalt gerichtete Finanzverhalten von Frauen ist allerdings nicht unbedingt ein Geschlechterthema, sondern vielmehr zu erklären durch unterschiedliche Familiensituationen. Wenn wir in Deutschland den „Gender Pay Gap“ wirklich schließen wollen, muss ein gesellschaftliches Umdenken stattfinden. Verbesserte Rahmenbedingungen wie Kinderbetreuung oder Teilzeitarbeit auf Top-Positionen sind eine Sache, eine Akzeptanz von neuen Rollenmodellen in Familien eine ganz andere.