Chart of the Week | 23.03.2018
Viele Wölfe im Schafspelz
Gerade noch mal so davon gekommen. Zumindest bis zum 1. Mai. Nicht nur Mexiko und Kanada, mit denen die USA gerade ein neues Handelsabkommen aushandeln, werden von den US-Strafzöllen auf Aluminium und Stahl vorerst ausgenommen, sondern auch die EU, Australien, Argentinien, Brasilien und Südkorea. Während sich die EU-Mitgliedsländer also gerade auf dem EU-Gipfel über ihre Sonderbehandlung freuen, schlug Trump derweil woanders zu: in China.
Neben den Zöllen auf Aluminium und Stahl sieht sich der größte Exporteur der Welt schon bald neuen Handelshemmnissen wie weiteren Importzöllen und Investitionsbeschränkungen gegenüber. Importe im Wert von bis zu 50 Milliarden Euro aus China in die USA wären betroffen – ein Brocken gegenüber den ca. 3 Milliarden Euro, die auf die EU zugekommen wären. Und ebenso wie die EU sofort mit Gegenmaßnahmen gedroht hat, will auch China diese neuen Handelsbeschränkungen nicht auf sich sitzen lassen und Beschwerde bei der Welthandelsorganisation (WTO) einreichen.
Dabei sollte man jedoch nicht vergessen, dass sowohl die EU als auch China kein Kind von Traurigkeit sind, wenn es um den Schutz wichtiger Wirtschaftszweige geht, wie unser Chart der Woche zeigt. So sehen sich die USA handelsgewichteten durchschnittlichen Tarifen für Agrar-Exporte von knapp 5% in die EU und 6% in China gegenüber. Außerhalb des Agrarsektors sind es immer noch 1,4%, bzw. 5,3%. Die EU hat dagegen vor allem in China mit Zöllen zu kämpfen, erhebt jedoch ihrerseits einen Zoll in ähnlicher Höhe auf Agrarprodukte aus China. Einfuhrabgaben in den USA sind dagegen im Durchschnitt vergleichsweise gering, lediglich die Europäer müssen in den USA für Produkte außerhalb des Agrarsektors 0,2%-Punkte mehr bezahlen, als sie von den USA verlangen.
Tatsächlich sehen sich die USA im Schnitt also in der EU und China mit höheren Zöllen konfrontiert, als sie selbst erheben. Grund genug, um einen (bilateralen) Handelskrieg vom Zaun zu brechen?
Auch wenn der internationale Aufschrei derzeit groß ist, tragen viele Wölfe einen Schafspelz. Auf der internationalen Bühne wird sich nichts geschenkt. Doch es gibt Regeln. Und wenn die USA wirklich unehrliche Konkurrenz wittern, sollte man sich besser zusammen mit seinen Handelspartnern an einen Tisch setzen, anstatt immer neue Drohungen auszusprechen und einen Handelskrieg zu forcieren. Oder man holt das ungeliebte, eingestaubte, aber vom Grundsatz her in die richtige Richtung gehende Projekt „TTIP“, das seinen vorläufigen finalen Stoß ja von Trump bekommen hat, wieder aus der Schublade. Denn Protektionismus kann langfristige Strukturveränderungen nicht aufhalten, weder in den USA, noch in China oder in der EU.