Chart of the Week | 08.06.2018
Weltrangliste – Geldrangliste?
In weniger als einer Woche ist es soweit: Die Begegnung zwischen Gastgeber Russland und Saudi-Arabien wird am kommenden Donnerstag die 21. Fußball-Weltmeisterschaft eröffnen. Die einen werden nur alle zwei Jahre zu den internationalen Turnieren zum Fan, für die anderen sind die Spiele ihres Vereins das höchste der Gefühle und die Nationalmannschaft nur ein Lückenfüller. Aber auch wenn so mancher Fußballfreund angesichts der Menschenrechtssituation im Gastgeberland, der Dopingvorwürfe in Richtung des russischen Sports oder der Umstände rund um die Vergabe der Turniere nach Russland und Katar bereits angekündigt hat, sich dem TV-Event zu verweigern – in den kommenden Wochen dürften wieder fast überall in deutschen Wohnzimmern und Eckkneipen die Fernsehgeräte heißlaufen. Dieses Interesse der Massen ist es schließlich auch, das Fußball von der reinen sportlichen Betätigung zu einem großen Geschäft gemacht hat.
Nun sollte man ja annehmen, dass das große Geld vornehmlich dorthin fließt, wo der sportliche Erfolg am größten ist. Aber sind die spektakulären Summen, die bei Spielertransfers mittlerweile bewegt werden, wirklich ein guter Anhaltspunkt für die Chancen auf den begehrten Weltpokal? Um diese Frage zu klären, haben sich unsere Londoner Kollegen die Arbeit gemacht, die Spieler-Marktwerte der Datenbank „Transfermarkt“ für die 23er-Kader der teilnehmenden Nationalmannschaften ins Verhältnis zur Position des jeweiligen Landes in der Rangliste des Fußballweltverbandes FIFA zu setzen.
Die beiden teuersten Teams aus Frankreich und Spanien knacken dabei sogar die Milliardengrenze – 46 Spieler zu je 46 Millionen Euro, so viel beträgt jedenfalls der durchschnittliche Transfermarktwert der Kicker von dies- und jenseits der Pyrenäen. Beide Mannschaften belegen auch Top-10-Plätze in der FIFA-Rangliste, doch zu mehr als einem Mittelplatz im „Value for money“-Ranking reicht das angesichts der immens hohen Kaderwerte nicht. Wie unser Chart der Woche zeigt, kommen die Schnäppchenkönige der WM aus Peru, der Schweiz und Costa Rica – mit dem drittniedrigsten Kaderwert des Turniers stehen die Andenkicker immerhin auf Platz 11 der FIFA-Rangliste und bieten somit das beste „Preis-Leistungs-Verhältnis“.
Kein gutes Investment wäre hingegen wohl die Mannschaft des Gastgebers: Ein mittelprächtiger Kaderwert trifft auf die schwächste FIFA-Platzierung im Teilnehmerfeld – das bedeutet auch im „Value for money“-Ranking die rote Laterne. Fairerweise muss man allerdings erwähnen, dass Russland als Gastgeber keine Qualifikationsrunde spielen musste und somit auch weniger Gelegenheiten als andere Mannschaften hatte, Punkte für die FIFA-Rangliste zu sammeln.
Unter den (Mit-)Favoriten sind die Teams von Portugal, Belgien und Deutschland vergleichsweise günstig zu haben – Platz 1 bei der FIFA bedeutet für die Mannschaft von Jogi Löw trotz des viertteuersten Kaders immer noch Platz 7 in Sachen „Value for money“. Als teuerste Einzelspieler werden der Brasilianer Neymar und Lionel Messi aus Argentinien mit je 180 Millionen Euro bewertet, der größte Star im eigenen Team ist jedoch ein Ägypter: Trotz seiner verletzungsbedingten Auswechslung im Champions-League-Finale liegt Mohammed Salahs Transfermarktwert bei 150 Millionen Euro – damit stellt er alleine über drei Viertel des Kaderwerts seiner Nationalmannschaft dar.
Über 10 Milliarden Euro an Transfermarktwert werden bei der WM über den grünen Rasen laufen – fast doppelt so viel wie noch vier Jahre zuvor. Viele Fußballfans verdrehen bei den momentan bewegten Summen zwar nur noch genervt die Augen. Aber auch wenn Mannschaften wie Peru oder die Schweiz wohl keine ernsthafte Titelchance haben, zeigen sie doch, dass nach wie vor nicht nur das Geld die Tore schießt – und werden uns in den nächsten Wochen vielleicht die eine oder andere Überraschung bescheren.