Chart of the Week | 06.09.2019

Kein Ende in Sicht

3 min Lesedauer 06.09.2019

Wenn sich der Rat der Europäischen Zentralbank am kommenden Donnerstag zu seiner nächsten Sitzung trifft, um über neue geldpolitische Maßnahmen zu beraten, erwarten viele Experten einen Neustart des QE-Anleihekaufprogramms sowie eine weitere Absenkung des ohnehin schon negativen Einlagenzinssatzes. Letzterer erregt insbesondere hierzulande immer wieder Unmut, wird er doch gerne als Hauptgrund für niedrige Guthabenzinsen gesehen. Sparer fühlen sich enteignet, Politiker und Medien präsentieren sich als ihre Anwälte – und auch aus den Vorstandsetagen der Banken hört man so manches Klagelied über die Negativzinsen, die angeblich vor allem im „Land der Sparer“ die Kreditinstitute belasten. Aber von wieviel Geld ist hier eigentlich die Rede – und wie stark leiden die Banken in Deutschland und anderswo wirklich unter den Zinsen?

 

Eine Studie des Finanzdienstleisters Deposit Solutions untersuchte die Höhe der Zahlungen, die die Banken der Eurozone für ihre bei den Zentralbanken des Eurosystems geparkten Gelder bislang an diese leisten mussten. 7,5 Milliarden Euro waren das alleine im Jahr 2018; rund 23 Milliarden kamen seit Einführung der Negativzinsen im Jahre 2014 bislang insgesamt zusammen. Betrachtet wurde auch, in welchem Ausmaß die Profite der Banken unter diesen Zahlungen zu leiden hatten. Unser Chart der Woche zeigt für die Länder der Eurozone mit den größten Bankensektoren das Ausmaß der Zinszahlungen im vergangenen Jahr und die Auswirkung auf die Jahresergebnisse der Kreditinstitute im jeweiligen Land.

Negativzinsen und die Banken der Eurozone (2018)

Quelle: Deposit Solutions, ING Economic & Financial Analysis

Tatsächlich floss im Jahre 2018 in keinem anderen Land der Eurozone mehr Geld zur Begleichung von Negativzinsen als in Deutschland. Darunter litten natürlich die Profite: Die knapp 2,5 Milliarden Euro bedeuteten für die Gesamtheit der deutschen Banken eine Reduzierung ihres Vorsteuerergebnisses um 9,1 Prozent. Ähnlich hoch, wenn auch absolut gesehen auf deutlich niedrigerem Niveau, waren die Auswirkungen auch in Luxemburg. Die 360 Millionen, die finnische Banken überweisen mussten, reduzierten das dortige Ergebnis sogar um 14,1 Prozent.

 

In den meisten anderen Ländern leiden die Banken weniger stark. Dort sind die Geschäftsmodelle nicht so sehr darauf ausgerichtet, an der Zinsdifferenz zwischen Spareinlagen und Krediten zu verdienen: Ihre Gewinne machen die Banken dort zu einem größeren Anteil mit Gebühren. Kein Wunder also, dass die Rufe nach einem Ende der Niedrig- und Negativzinsphase aus Deutschland schon immer besonders laut waren – und bei einer weiteren Zinssenkung der EZB wohl kaum leiser werden dürften.

 

Mit dem Thema Negativzinsen befasst sich auch die aktuelle Folge unseres Podcasts „Carstens Corner“. Hören Sie doch mal rein!

Autor: Sebastian Franke