Trockenzeit

Chart of the Week

3 min Lesedauer 17.04.2020

Was Musikfans und Fußballfreunde schon länger befürchtet hatten, wurde nach der Telefonkonferenz zwischen Bundeskanzleramt und den Landesregierungen am Mittwoch bittere Gewissheit: Wie Angela Merkel verkündete, bleiben zur Bekämpfung des Coronavirus Großveranstaltungen bis mindestens 31. August untersagt. Bis dahin wird es also keine Spiele der Fußball-Bundesligen vor Publikum geben; auch die groß angekündigten Konzerttourneen zahlreicher Künstler durch deutsche Hallen und Stadien fallen aus oder werden verschoben.

 

Auf dem Trockenen sitzen im Jahr 2020 auch die Freunde von Musikfestivals. Die Enthusiasten, die sich sonst jeden Sommer zu Zehntausenden mit Zelt und reichlich Bier im Gepäck auf den Weg zu Veranstaltungen wie Rock am Ring oder Hurricane machen, werden ihren Jahresurlaub umplanen müssen. Auch für die Freunde der härteren Klänge fällt die Pilgerreise ins Metal-Mekka im schleswig-holsteinischen Wacken aus. Dabei müssen nicht nur die Musikfans auf ihre Erlebnisse und Erinnerungen verzichten – für die gastgebenden Gemeinden, die meist abseits der Großstädte in ländlichen Gegenden gelegen sind, sind die Festivalbesucher ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.

 

Wie unser Chart der Woche zeigt, dürfte der Großteil der zu erwartenden Umsatzausfälle aber den Bereich der Konzert- und Tourneeveranstalter treffen. Das geht aus einer Untersuchung der Verbände der deutschen Musikwirtschaft hervor, die die Umsatzeinbußen im Bereich von Konzerten und Veranstaltungen auf über 4,5 Milliarden Euro schätzt. Hinzu kommen mehr als 900 Millionen bspw. durch Mindereinnahmen aus Musikrechten oder geringere Verkäufe von Tonträgern und Musikinstrumenten.

Erwartete Umsatzeinbußen aus Musikveranstaltungen durch das Coronavirus (in Mio. Euro)

Quelle: Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft

Die Verbandsschätzungen stammen von Ende März und gehen von einer Fortsetzung der damals geltenden Maßnahmen für insgesamt sechs Monate aus. Für kleinere Musikclubs und die Konzerte der nicht ganz so großen Stars könnte die Krise aber glimpflicher ablaufen: Die mit Ende August angegebene Mindestverbotsdauer bezieht sich auf Großveranstaltungen – auch wenn dieser Begriff nicht einheitlich definiert ist, könnte die Grenze von 1.000 Zuschauern, die Mitte März für die erste Welle der Maßnahmen angesetzt wurde, einen Anhaltspunkt liefern. Erste Veranstaltungen vor kleinem Publikum könnte es womöglich schon im Mai wieder geben, wenn sich die Infektionszahlen weiter so entwickeln wie erhofft.

 

Aber auch der volle Umfang der Schätzungen von rund 5,5 Milliarden Euro nimmt sich angesichts des zu erwartenden gesamtwirtschaftlichen Schadens eher bescheiden aus. Die meisten aktuellen Prognosen für das deutsche Bruttoinlandsprodukt bewegen sich für das Jahr 2020 in der Größenordnung von minus fünf Prozent; das wäre ein Rückgang der Wirtschaftstätigkeit um rund 170 Milliarden Euro. Dennoch sollte man die Bedeutung kultureller Angebote für die Leidensfähigkeit und das Durchhaltevermögen der Bevölkerung im Angesicht der Corona-Maßnahmen nicht außer Acht lassen. Oder wie es ein in den sozialen Medien zuletzt viel geteiltes Spruchbild ausdrückt: „Wenn du Kultur nicht für systemrelevant hältst – dann stell dir die Isolation doch mal ohne Bücher, Filme und Musik vor.“

Autor: Sebastian Franke