Nullnummer

Chart of the Week

3 min Lesedauer 30.04.2020

Da ist sie wieder, die Null vor dem Komma: Das Statistische Bundesamt gibt den vorläufigen Wert für die Inflation im April 2020 im Vergleich zum Vorjahresmonat mit nur noch 0,8 Prozent an. So niedrig lag der Wert zuletzt im November 2016, wie unser Chart der Woche zeigt. Gegenüber dem März dieses Jahres stiegen die Preise um 0,3 Prozent. Hatte es Anfang 2020 noch Befürchtungen gegeben, die Preissteigerung könnte den Zielwert von „unter, aber nahe 2 Prozent“ womöglich in absehbarer Zeit sogar überschießen, ist spätestens in der Corona-Krise nicht mehr viel von derartigen Überlegungen übrig.

 

Zwar ist sprunghaftes Verhalten der Inflationsrate in den Monaten rund ums Osterfest keine Seltenheit. Diesem Phänomen liegt jedoch ein Effekt zugrunde, der nur dann auftritt, wenn die Feiertage in einen anderen Kalendermonat fallen als im Vorjahr – was aktuell nicht der Fall ist. Daher dürften zu den Hauptgründen für den deutlichen Rückgang der Inflation momentan eher die niedrigen Preise für Öl und andere Energieträger zählen. Am Terminmarkt war in der vergangenen Woche der Ölpreis sogar erstmals ins negative Territorium gerutscht. Schwankungen sind bei den Preisen für Energie oder auch Lebensmittel keine Seltenheit, meistens aber eher kurzlebig. Daher werden diese Güter oft aus der Berechnungsgrundlage ausgeblendet, um die sogenannte Kerninflation zu ermitteln, die langfristige Entwicklungen besser abbildet. Angesichts übervoller Lagerstätten und eines bestenfalls ungewissen konjunkturellen Ausblicks dürften uns niedrige Ölpreise aber noch eine ganze Weile begleiten.

Inflation im Vergleich zum Vorjahresmonat (Deutschland 2016-2020, in Prozent)

Quelle: Statistisches Bundesamt

Die Corona-Krise stellt die Statistiker aber auch vor Probleme bei der Ermittlung der Preissteigerung. Wie misst man den Anstieg der Konsumentenpreise, wenn kaum noch konsumiert wird? Güter des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel und – sofern vorhanden – Toilettenpapier wurden natürlich weiterhin gekauft, aber Geschäfte anderer Branchen und auch Dienstleister mussten über weite Teile der zurückliegenden Wochen ihre Türen schließen. Die Aussagekraft von Inflationsdaten könnte in dieser Hinsicht durchaus begrenzt sein. Auch die Zusammensetzung des Warenkorbs könnte einer Überarbeitung bedürfen, wenn sich im Nachgang der Krise unsere Konsumgewohnheiten ändern sollten.

 

Grundsätzlich wäre es denkbar, dass die gewaltigen Geldmengen, welche die Regierungen und Zentralbanken derzeit zur Eindämmung der Krise bereitstellen, auf lange Sicht zu verstärkter Inflation führen könnten. Derzeit gilt aber: Selbst wenn es deutliche Preissteigerungen gäbe, wären die aus ökonomischer Sicht wohl unser geringstes Problem. Und voraussichtlich kennt die Inflationskurve in den nächsten Monaten ohnehin erst einmal nur eine Richtung – abwärts.

Autor: Sebastian Franke