Kaufrausch durchs Kicken?
Chart of the Week
Das war’s: Mit einem wenig begeisternden Auftritt und einem 0:2 gegen England verabschiedet sich die deutsche Fußball-Nationalmannschaft aus der Europameisterschaft des Jahres 2021, die nach der pandemiebedingten Verschiebung dennoch offiziell als EM 2020 firmiert. Es verabschiedet sich auch der langjährige Bundestrainer Joachim „Jogi“ Löw, ehe in Kürze der bisherige FC-Bayern-Coach Hans-Dieter „Hansi“ Flick die Verantwortung für die Nationalmannschaft übernimmt. Die durchwachsenen Leistungen bei der EM erinnern an die Weltmeisterschaft 2018, als das deutsche Team nach nur einer überzeugenden Halbzeit in drei Spielen bereits zum Ende der Gruppenphase die Segel streichen musste.
Trauer gab es damals nicht nur bei den Fußballfans, sondern auch bei denen, die von ihnen leben – den Gastronomen, in deren Gaststätten Fußballübertragungen gezeigt werden, und den Sportartikelherstellern und -händlern, bei denen sich die Anhänger mit den Trikots ihrer Lieblingsmannschaften eindecken können. 2021 stand von Anfang an die Corona-Pandemie auf der Euphoriebremse – aber vor drei Jahren hatte man sich große Hoffnungen gemacht, mit einem erfolgreichen Turnier die Konsumenten in die Biergärten und Sportgeschäfte locken zu können. „Das frühe Ausscheiden der Nationalelf ist für die Gastronomen eine große Enttäuschung in sportlicher und geschäftlicher Hinsicht“, ließ sich damals der Branchenverband Dehoga vernehmen. Eine große deutsche Sportartikel-Einzelhandelskette gab an, mit bis zu 15 Prozent zusätzlichem Umsatz im Mannschaftssport-Segment gerechnet zu haben.
Dass Gastronomen und Sportgeschäfte auf ein erfolgreiches Turnier hoffen, leuchtet ein. Aber machen sich die Effekte auf einzelne Branchen auch im Gesamtbild bemerkbar? Wir wollten wissen: Was ist dran an der Idee vom großen Wirtschaftsboom, ausgelöst durch ein erfolgreiches Fußballturnier im Sommer, das die Massen euphorisiert und in Kauflaune versetzt? Unser Chart der Woche wirft daher dieses Mal einen Blick auf die Konsumausgaben privater Haushalte in Deutschland in den letzten 30 Jahren.
Erfolge der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und inländischer Privatkonsum (kalender- und saisonbereinigt)
Wie Sie sehen, sehen Sie – nichts. Auf der Suche nach den Spuren sportlicher Erfolge in der Konsumstatistik ist die Trefferquote noch einmal deutlich schlechter als die von „Jogis Jungs“: Nicht die WM 2006 im eigenen Land mit vollen Fanmeilen, einem begeisternden Auftreten des deutschen Teams und einem unerwarteten dritten Platz, ja nicht einmal die WM 2014 mit dem Titelgewinn und dem Jahrhundertspiel gegen die gastgebenden Brasilianer sorgten in der Statistik der Konsumausgaben für nennenswerte Ausreißer. Auch die Enttäuschungen der Jahre 2000, 2004 (jeweils Ausscheiden nach der EM-Vorrunde) und 2018 bescherten uns keinen spürbaren Einbruch.
Die positiven oder negativen Effekte bleiben einfach zu sehr auf einzelne Branchen begrenzt, als dass das Auftreten einer Fußballmannschaft tatsächlich ein ganzes Land auch ökonomisch in Freudentaumel oder tiefe Trauer versetzen könnte. Vielleicht ist das ein tröstlicher Aspekt am unbefriedigenden Abschneiden des Teams bei Joachim Löws letztem Turnier: Es ist nun einmal wirklich nur Fußball.