Eine Frage des Vertrauens?
Chart of the Week
Im vergangenen Jahr ist das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Deutschland gesunken und das Vertrauen in die Regierung lag niedriger als noch im Jahr 2019. Was zunächst scheinen mag, wie zwei völlig voneinander losgelöste Informationen, ist Bestandteil der Economics of Trust. Ist der Wohlstand einer Volkswirtschaft auch eine Frage des Vertrauens?
Das Bruttoinlandsprodukt gibt, nach Abzug der Vorleistungen, den Wert aller Güter, Dienstleistungen und Waren an, die in einem bestimmten Zeitraum innerhalb einer Volkswirtschaft produziert wurden. Durch die Einwohnerzahl eines Landes dividiert, erhält man das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Dieses wird häufig als Maßstab für den Wohlstand einer Volkswirtschaft herangezogen. Aber ist es möglich, dass die wahrscheinlich am häufigsten zur Bewertung von Wirtschaftlichkeit und Wohlstand herangezogene Kennzahl auch durch Vertrauen beeinflusst werden kann? Die Antwort lautet Ja – und genau diesem Phänomen widmen sich die Economics of Trust.
Wie das Vertrauen in- und untereinander die Produktivität und Wirtschaftlichkeit beeinflussen kann, fängt bereits auf Unternehmensseite an. Studien zeigen, dass ein Mangel an Vertrauen innerhalb einer Organisation zu geringerer Produktivität und somit zu höheren Kosten führt. Ein hoher Grad an Vertrauen hingegen sorgt dafür, dass die Produktivität steigt und die Kosten sinken. Doch nicht nur das Vertrauen in den Arbeitgeber sorgt scheinbar für erhöhte Produktivität und größeren wirtschaftlichen Erfolg. Es scheint zudem ein Zusammenhang zwischen dem Grad, zu welchem der nationalen Regierung Vertrauen geschenkt wird, und der Wirtschaftlichkeit der gesamten Volkswirtschaft zu bestehen. Diesen Zusammenhang zeigt unser Chart of the Week.
Durchschnittliches Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und Vertrauen in die nationale Regierung (2010-2020)
Das Vertrauen in die nationale Regierung wird jährlich im Rahmen des Prosperity Index des Legatum Insitute erfasst. Der Indikator kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen, wobei 0 signalisiert, dass kein Vertrauen in die nationale Regierung besteht. Ein Wert von 1 bedeutet, dass der Regierung in Gänze vertraut wird. Das Vertrauen in die deutsche Regierung lag mit 0,37 im Jahr 2011 auf dem Tiefststand der vergangenen 10 Jahre, der höchste Wert der vergangenen 10 Jahre wurde im Jahr 2016 mit 0,61 erreicht. Zwischen 2010 und 2020 erreichte Deutschlands Regierung im Durchschnitt einen Vertrauensindikator von 0,52. Innerhalb der betrachteten Länder lag das durchschnittliche Vertrauen in die nationale Regierung nur in den Niederlanden mit 0,58 höher, deutlich niedrigere Vertrauenswerte wurden in Griechenland, Italien und Spanien mit durchschnittlich 0,18, 0,22 und 0,26 gemessen.
Auffällig ist nun, dass in den Ländern, die in den vergangenen 10 Jahren nur wenig Vertrauen zu ihrer Regierung hatten, auch das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf niedriger lag als in jenen, in denen das Vertrauen in die Regierung stärker war. Griechenland, mit einem sehr geringen Grad an Vertrauen in die Regierung, erzielte über die vergangenen 10 Jahre das geringste BIP pro Kopf, während die Niederlande sowohl in der Vertrauensfrage als auch was die Wirtschaftlichkeit betrifft, Spitzenreiter unserer Beobachtung sind. Deutschland folgt auf Platz 2.
Doch inwiefern kann das Vertrauen in die Regierung eine höhere Wirtschaftlichkeit einer Volkswirtschaft bedingen? Gehen wir zunächst wieder einen Schritt zurück: wenn Sie Ihrem Arbeitgeber vertrauen, dass dieser Ihnen einen sichereren Arbeitsplatz garantiert, oder er auch noch in 12 Monaten in der Lage dazu sein wird, Ihnen Ihr Gehalt auszuzahlen, ist davon auszugehen, dass Sie mit erhöhter Produktivität an die Arbeit gehen. Wenn nun Ihr Arbeitgeber davon überzeugt ist, dass die Volkswirtschaft stabil ist, oder die Regierung in wirtschaftsfördernde Projekte investiert, schafft das ebenso Vertrauen, um Investitionen zu tätigen. Diese Investitionen wiederum steigern das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf.
Vertrauen in die Regierung wirkt sich also in einer Art Spirale positiv auf die Investitionen und die Gesamtproduktivität innerhalb einer Volkswirtschaft aus. Und kann so das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, bzw. den Wohlstand, steigern. Ein Zusammenhang, der auch bei der anstehenden Bundestagswahl nicht außer Acht gelassen werden sollte.