Grün ist das neue Schwarz

Chart of the Week

4 min Lesedauer 28.01.2022

Die deutsche Wirtschaft ist im vergangenen Jahr um 2,8 Prozent gewachsen – in Zukunft wird sich allerdings nicht mehr nur die Frage nach der Stärke, sondern auch nach der Nachhaltigkeit des Wirtschaftswachstums stellen. Was die Farbe Schwarz für die Modeindustrie ist, wird die Farbe Grün für die Wirtschaft: zeitlos und zu allem kombinierbar. Grün ist das neue Schwarz, und die geplanten Investitionen dürften der Wirtschaft starke Impulse schenken.

Die Auswirkungen des Klimawandels werden immer sicht- und spürbarer. Und richten nicht nur gesellschaftliche, sondern auch wirtschaftliche Schäden an. Einer Untersuchung der Bundesbank zufolge lagen die kumulierten gesamtwirtschaftlichen Schäden durch Wetterextreme und den Klimawandel in Deutschland zwischen 1980 und 2019 bei rund 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von 2019 – also bei ungefähr 104,2 Milliarden Euro.

Auch die Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel werden zunächst vermutlich zu gesamtwirtschaftlichen Verlusten führen. Unternehmen dürften Produktivitätsverluste erfahren, denn die Umstellung der Produktion auf grüne Energieformen dürfte erst einmal mit geringerem Output bzw. höheren Herstellungskosten einhergehen. Auch die Haushalte merken den Trend hin zu einer grüneren Wirtschaft im Geldbeutel, wenn das Tanken, der Urlaubsflieger und das Grillgut teurer werden – denn im Kampf gegen den Klimawandel ist der Preis ein wichtiges Instrument zur Verhaltensänderung. Unser Chart of the Week zeigt allerdings, dass der Kampf gegen den Klimawandel in den vergangenen 20 Jahren auch bereits positive gesamtwirtschaftliche Impulse schenken konnte.

Investitionen in - und wirtschaftliche Impulse aus dem Betrieb von Erneuerbare-Energien-Anlagen

Der Chart zeigt die Investitionen in - und wirtschaftliche Impulse aus dem Betrieb von Erneuerbare-Energien-Anlagen
Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

Seit dem Jahr 2000 wurden bis 2020 insgesamt 305,8 Milliarden Euro in die Errichtung von Erneuerbare-Energien-Anlagen investiert. Dies entspricht etwa 9 Prozent des BIPs von 2021. Mit insgesamt 108,5 Milliarden investierten Euro entfiel der größte Anteil auf die Errichtung von Photovoltaikanlagen, es folgt die Errichtung von Windenergieanlagen auf Land mit 75 Milliarden Euro und die Errichtung von Windenergieanlagen auf See mit 29,1 Milliarden Euro. Die übrigen Gelder entfallen auf die Errichtung von Wasserkraft-, Solarthermie-, Geothermie- und Biomasseanlagen. Und die Investitionen zeigen Wirkung: seit 2004 ist der Anteil an erneuerbaren Energien in Deutschland insgesamt von 6 auf 19 Prozent im Jahr 2020 gestiegen, im Bereich Elektrizität sogar von 9 auf 45 Prozent. Im Bereich Heizung bzw. Kühlung stieg der Anteil zwar von 7 auf 15 Prozent an, hier liegt Deutschland aber deutlich hinter dem Anteil in der Eurozone von 20 Prozent zurück. Im Bereich Elektrizität schlägt Deutschland die Währungsunion insgesamt und der Gesamtanteil an erneuerbaren Energien liegt in etwa auf demselben Niveau.

Doch die Investitionen haben nicht nur direkte Wirkungen auf eine erfolgreiche Energiewende und führen über verschiedene Kanäle zu einer generellen Belebung der Wirtschaft. Auch der Betrieb der Anlagen schenkt der deutschen Wirtschaft zusätzliche konjunkturelle Impulse. Laut Bundeswirtschaftsministerium konnten zwischen 2000 und 2020 insgesamt 220,6 Milliarden Euro durch den Betrieb von Erneuerbare-Energien-Anlagen realisiert werden, rund 6 Prozent des BIPs von 2021. Sowohl über die Nachfrage nach Personal für Betrieb und Wartung der Anlagen, die Nachfrage nach Ersatzteilen als auch über die Betriebskosten für die Betreiber der Anlage werden stetige wirtschaftliche Impulse an die deutsche Wirtschaft abgegeben. Je weiter der Ausbau voranschreitet, desto stärker werden die wirtschaftlichen Impulse insgesamt. Aus den Daten geht allerdings nicht hervor, ob es sich bei den positiven Folgen für die Konjunktur um zusätzliche Wirkungen der Investitionen in erneuerbare Energien oder um die gesamten Folgen handelt. Im ersten Fall wäre der Multiplikatoreffekt der Investitionen in Erneuerbare-Energien Anlagen größer als 1, im zweiten Fall kleiner als 1. Bei einem Multiplikator kleiner als 1 hätten die Investitionen nicht zu einer Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage in Höhe der Investitionen geführt.

In der Mode ist schwarz die zeitlose Farbe, die eigentlich immer geht und mit der man neue Kollektionen eigentlich immer verkaufen kann. Für die Konjunktur ist dieses Schwarz jetzt das Grün. Das „kleine Grüne“ geht in den kommenden Jahren immer und bringt letztendlich auch noch Geld.

Autor: Franziska Biehl