Spannen der Renditen, Anspannung bei der EZB
Chart of the Week
Mit der Ankündigung der Zinswende im Euroraum ab Juli ging ein deutlicher Renditeanstieg am Staatsanleihemarkt einher – insbesondere für die südlichen Länder der Eurozone. Die Differenz zur Rendite deutscher Staatsanleihen wächst und die EZB zeigt sich angespannt. Gegen Fragmentierungsrisiken vorgehen? Ja, bitte! Sorge vor einer erneuten Eurokrise? Das ist unserer Ansicht nach übertrieben.
Im Kampf gegen die hohe Inflation wird die EZB in diesem Monat die Zinsen anheben. Zudem beendete die Zentralbank heute die Nettoankäufe von Vermögenswerten. Die Erwartung einer restriktiveren Geldpolitik hatte bereits in den vergangenen Monaten zu steigenden Finanzierungskosten geführt. Realwirtschaftlich bedeutet dies vor allem eines: Kredite können nicht mehr zu den günstigen Bedingungen der vergangenen 11 Jahre aufgenommen werden.
Insbesondere für hochverschuldete Eurozone-Länder, wie beispielsweise Italien, zogen die Renditen auf langfristige Staatsanleihen scharf an, denn das Ende der lockeren Geldpolitik beschwört nun alte Ängste herauf. Mit höheren Leitzinsen und ohne die Anleiheankäufe der EZB im Rücken erscheinen italienische Schulden wieder riskant. Insbesondere im Vergleich zu deutschen Staatsanleihen, die als sichere Häfen gelten. Daher gilt die Differenz zwischen den Renditen langfristiger deutscher und italienischer Staatsanleihen, also der Spread dieser Anleihen, auch als Risikomaß. Weiten sich die Spreads, ist die Renditedifferenz also groß, herrscht Unsicherheit. Engere Spreads hingegen sprechen für Stabilität in der Eurozone.
Die Spanne zwischen deutschen und italienischen Staatsanleiherenditen wächst
Zur Zeit der Eurokrise weitete sich der Spread zwischen deutschen und italienischen 10-jährigen Staatsanleihen auf den Rekordwert von knapp 530 Basispunkten - damals stand die Rendite der deutschen 10-jährigen Staatsanleihe bei rund 1,3 Prozent, die der italienischen bei 6,6 Prozent. Unser Chart of the Week zeigt, dass die Kapitalmarktteilnehmer aktuell wieder größere Risiken innerhalb der Eurozone zu sehen scheinen. Denn der Spread zwischen der Rendite deutscher und italienischer Staatsanleihen ist zuletzt deutlich größer geworden. Als die Zinsspanne bei rund 250 Basispunkten lag – dem höchsten Wert seit Mai 2020, berief die EZB ein ad-hoc Meeting ein, um mögliche Fragmentierungsrisiken in der Währungsunion zu diskutieren. Im Anschluss an das Meeting engte sich die Zinsspanne wieder etwas ein, dennoch weckte das Ausweiten der Zinsspanne Erinnerungen an und Ängste vor einer erneuten Eurokrise.
Unserer Ansicht nach ist diese Angst allerdings übertrieben – Italien verzeichnete vor Beginn der Pandemie Primärbilanzüberschüsse, die Eurozone ist institutionell sehr viel besser auf die Herausforderung sich weitender Spreads vorbereitet als noch 2012 und die hohe Inflation könnte das Verhältnis von Staatsschulden zum Bruttoinlandsprodukt sogar begünstigen. Da sich Marktspekulationen allerdings schnell in selbsterfüllende Prophezeiungen verwandeln können, tat die EZB richtig daran, sich kurz nach der regulären geldpolitischen Sitzung erneut zusammenzufinden, um über die Fragmentierungsrisiken zu beraten. Neben der Bestätigung, dass die Reinvestitionen der auslaufenden Anleihen, die im Rahmen des PEPP gekauft wurden, dazu genutzt werden sollen, um die ungerechtfertigte Ausweitung der Spreads zu verhindern, wurde zudem angekündigt, dass die Ausarbeitung eines Instruments zur Anti-Fragmentierung beschleunigt werden solle.
Es ist zwar noch unklar, wie genau das neue Instrument der EZB zur Kontrolle der Spread-Ausweitung aussehen wird und wie erfolgreich ein solches Instrument sein würde, doch die Vergangenheit hat uns gelehrt, dass die bloße Erwähnung drei kleiner Buchstaben schon sehr wirksam sein kann. Und auch in Reaktion auf die Ankündigung der EZB, auch wenn diese noch weit von „Whatever it takes“ entfernt war, engten sich die Spreads wieder etwas ein. Manchmal können effektive Worte mehr wert sein als großzügige Ausgaben.