Zinswende am Wohnimmobilienmarkt
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Nach Jahren geprägt von Negativ-, Null- und Niedrigzinsen haben Zentralbanken die Zinswende eingeleitet. Auch die EZB kann sich diesem Sog nicht mehr entziehen. Was bedeutet das für die Nachfrage am Immobilienmarkt? War’s das jetzt mit dem Immobilienboom? Nein, denn die Nachfrage nach Wohnraum bleibt hoch.
Obwohl die erste Leitzinserhöhung in der Eurozone wohl erst am 21. Juli erfolgen wird, haben Kapitalmarktzinsen angesichts der hohen Inflation und in Erwartung der Zins-wende schon eine deutliche Kehrtwende nach oben vollzogen. Jede Veröffentlichung neuer Inflationsdaten beflügelte die Zinserhöhungsfantasien der Marktteilnehmer und ließ die Renditen von Staatsanleihen einen Steilflug hinlegen.
So stieg die Rendite der deutschen 10-jährigen Staatsanleihe seit Jahresbeginn um zeitweise mehr als 190 Basispunkte auf 1,8 Prozent, was dem höchsten Wert seit 2014 entspricht. Im Tandem mit den Kapitalmarktzinsen sind auch die Bauzinsen deutlich gestiegen. Denn diese reagieren nicht mechanisch oder automatisch auf Veränderungen des EZB-Leitzinses, sondern orientieren sich vielmehr an der Rendite für langfristige Anleihen und Pfandbriefe. Die Kreditzinsen für 10-jährige Immobiliendarlehen sind im Vergleich zu Beginn des Jahres um satte 2,4 Prozentpunkte von 1 Prozent auf zuletzt 3,4 Prozent im Juni gestiegen. Für den Traum vom Eigenheim muss also deutlich mehr Geld aufgewendet werden also noch im letzten Jahr. Was bedeutet das nun für die Nachfrage nach Wohnbaukrediten? War es das mit dem Immobilienboom?
Rendite der deutschen 10-jährigen Staatsanleihe und Bauzinsen über alle Laufzeiten
Trotz Anstieg der Bauzinsen hat die Nachfrage nach Immobilienkrediten aktuell noch keinen Dämpfer erlitten. Ganz im Gegenteil: Im ersten Quartal dieses Jahres stieg die Nachfrage im Vergleich zum Vorquartal um 21 Prozent an und damit so stark wie noch nie. Noch schnell die günstigeren Zinsniveaus sichern war sicher ein wichtiger Grund für die starke Kreditnachfrage.
Ob dieser Trend so anhält, ist allerdings undeutlich. Es besteht zumindest die Möglichkeit, dass das gestiegene Zinsumfeld zusammen mit weiterhin hohen Immobilienpreisen, Kaufkraftverlusten angesichts der hohen Inflation, die nicht durch Lohnerhöhungen ausgeglichen werden, Unsicherheit und regulatorischen Anforderungen das Wachstum der Nachfrage nach Immobilienkrediten in der zweiten Jahreshälfte verlangsamen könnte. Ein kompletter Wegfall der Nachfrage ist aber nicht zu erwarten, denn was Wohnimmobilien betrifft, hat die Nachfrage das Angebot in den letzten Jahren stetig übertroffen.
Zudem dürfte der Bedarf an Finanzierungen für energetische Sanierung und Modernisierung hoch bleiben. In Bezug auf den Anstieg bei Bauzinsen erwarten wir zudem, dass wir das Schlimmste bereits hinter uns haben. In den kommenden Monaten geht es zwar weiterhin noch leicht nach oben, der Höhepunkt dürfte aber im 4. Quartal 2022 erreicht werden. 2023 wird sich dann an der Zinsfront nicht mehr viel nach oben bewegen. Im Gegenteil: Wir erwarten, dass sich die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen im Laufe des nächsten Jahres auf ein Niveau unter 1 Prozent einpendelt und damit auch die Bauzinsen wieder leicht sinken.
Zum Download: Unsere Studie „Zinswende am Wohnimmobilienmarkt“