Neuinterpretation des Sparstrumpfs
Chart of the Week
Nachdem wir uns in den vergangenen Monaten bereits an Diät-Tipps versucht haben, wagen wir uns heute in die Modebranche. Wer sagt, dass Ökonomen nicht vielseitig sein können? Den jüngsten Unternehmensumfragen zufolge wird in den kommenden Monaten nämlich vor allem eines im Trend liegen: dicke Socken.
Den deutschen Unternehmen fällt es aktuell schwer, optimistisch in die Zukunft zu schauen. Für das herstellende Gewerbe fiel der Index für die Geschäftserwartungen auf den niedrigsten Stand seit März 2020, als die Corona-Pandemie in Deutschland zum ersten Lockdown führte. Kein Wunder, denn hohe Energie- und Rohstoffpreise, anhaltende Lieferkettenstörungen und der Fachkräftemangel belasten die Aktivität in der Industrie. Hinzukommt, dass die Unsicherheit hoch ist – wie wird sich die Nachfrage entwickeln, wenn die hohen Kosten sich bei den Verbrauchern noch deutlicher bemerkbar machen? Wie lange wird die Energiekrise anhalten?
Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft sind alles andere als rosig und insbesondere in Industrien, deren Produktion stark abhängig von Gas ist, sind die Einschätzungen der Aussichten auf die nächsten sechs Monate düster. Am schlechtesten schätzen aktuell die Hersteller von keramischen Haushalts- und Ziergegenständen die geschäftlichen Perspektiven ein. Auch die Hersteller von Leder und Lederwaren oder die Lebensmittelindustrie beurteilen die Geschäftsaussichten düster.
Unser Chart of the Week zeigt allerdings, dass es eine Industrie gibt, die hinsichtlich der künftigen Geschäftsentwicklung durchaus positiv gestimmt ist. Waren es während der Pandemie Lieferdienste und Online-Plattformen, die mit ihrem Geschäftsmodell punkten konnten, könnten es in den vor uns liegenden Monaten die Hersteller von warmen Kleidungsstücken sein. Genauer gesagt, von gestrickten und gehäkelten Strumpfwaren.
Die Hersteller von gestrickten und gehäkelten Strumpfwaren sehen optimistisch in die Zukunft
Warum als Hersteller dicker Socken auch nicht optimistisch sein, schließlich kam auch bereits aus Politikerkreisen der Rat, sich im Winter wärmer anzuziehen, um nicht zu frieren, wenn man die Heizung zwecks Energiesparen niedriger einstellt. Das Wort „Sparstrumpf“ bekommt so eine ganz neue Bedeutung.
Daran, dass die Energierechnungen in diesem Winter deutlich höher ausfallen werden als noch im Vorjahr, kann aber auch das Zulegen und Tragen warmer Strümpfe wenig ändern. Obwohl die deutschen Verbraucher aktuell bereits damit beginnen, die klassischen Sparstrümpfe zu füttern. Die jüngsten Ergebnisse der GfK-Verbraucherumfrage zeigen, dass die Sparneigung zuletzt deutlich zugenommen hat, während die Anschaffungsneigung abnahm. Was sich hier zeigt, ist Angstsparen – wer die Möglichkeit hat, legt lieber Geld auf die Seite, um für höhere Energierechnungen aufkommen zu können, anstatt zu konsumieren.
Allerdings können das nicht alle Haushalte gleichermaßen. Und so sehr wir der Strick- und Häkelstrumpfwaren-Industrie die rosigen Aussichten gönnen und gleichermaßen gespannt sind, in welchen Formen und Farben dicke Socken die Kleiderschränke in diesem Winter erobern: auf eine Neuinterpretation des Sparstrumpfs allein sollte sich die Bundesregierung in diesem Winter nicht verlassen.
Das dritte Entlastungspaket, das am vergangenen Wochenende vorgestellt wurde, bringt zwar etwas finanzielle Erleichterung für finanziell schwächere Haushalte, es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass die Mehrbelastung durch die höheren Energierechnungen dadurch vollständig ausgeglichen werden kann. In jedem Fall wird es nicht genug sein, um die aktuell aufbrodelnde Rezession zu verhindern.