Alles doch nicht so schlimm mit der Inflation?

Chart of the Week

4 min Lesedauer 03.03.2023

Im vergangenen Jahr hat sich unser alltägliches Leben in vielen Bereichen deutlich verteuert. Die Inflationsrate bewegte sich sogar im zweistelligen Bereich. Letzte Woche kam vom Statistischen Bundesamt allerdings die Meldung, dass die Inflation im Jahre 2022 doch „nur“ 6,9 Prozent anstatt wie zuvor veröffentlicht 7,9 Prozent betrug und die monatlichen Inflationszahlen nie die Marke der 10 Prozent überschritten haben – obwohl die Wiesbadener genau das noch im Herbst gemeldet hatten. Was genau steckt hinter dieser doch erheblichen Korrektur nach unten?

Das Statistische Bundesamt vollzieht alle 5 Jahre eine Überarbeitung der Berechnung des Verbraucherpreisindex (VPI), um den Wandel der Verbrauchs- und Einkaufsgewohnheiten abzubilden. Als Ausgangspunkt der Kalkulation wird nun das Basisjahr 2020 statt bislang 2015 herangezogen. Der Verbraucherpreisindex verwendet dabei einen Warenkorb, der rund 700 Güterarten umfasst und sämtliche von privaten Haushalten in Deutschland gekauften Waren und Dienstleistungen repräsentiert. Da Verbraucher beispielsweise nicht gleich viel Geld für Kleidung wie für die Miete ausgeben, werden die Güterbereiche unterschiedlich stark gewichtet. Das Ziel des VPI ist die Abbildung der reinen Preisentwicklung, unbeeinflusst durch Änderungen im Konsumverhalten. Der Warenkorb bzw. die Gewichte des Basisjahres werden deshalb über den Zeitraum von 5 Jahren konstant gehalten.

Um die Besonderheiten des „Corona-Jahres“ 2020 auszugleichen, wurde bei der neuen Gewichtung ein Mittelwert der Jahre 2019 bis 2021 verwendet. Damit auch Entwicklungen wie die Digitalisierung und der demografische Wandel berücksichtigt werden, wurde neben der Gewichtung auch die Zusammensetzung des Warenkorbs angepasst. Beispielsweise fließen nun auch Preisentwicklungen von Smartwatches, aber auch Geh- und Alltagshilfen ein. Im Zuge der Revision des Verbraucherpreisindex wurden nun die Inflationszahlen bis zurück zum Januar des neu eingeführten Basisjahres 2020 neu berechnet. Unser Chart of the Week zeigt den Vergleich der monatlichen Inflationsraten des Jahres 2022 auf Basis 2015 gegenüber Basis 2020.

Monatliche Inflationsraten für Deutschland 2022 (Veränderung des Verbraucherpreisindex gegenüber dem Vorjahresmonat in %)

Der Chart zeigt für jeden Monat des Jahres 2022 die Inflationsrate zum Vorjahresmonat in Prozent, einmal nach alter Berechnung mit Basisjahr 2015, einmal nach neuer Berechnung mit Basisjahr 2020.
Quelle: Statistisches Bundesamt

Dabei zeigt sich, dass die Zahlen für jeden einzelnen Monat im Jahre 2022 nach unten revidiert wurden, was vor allem an Änderungen der Gewichte für Waren und Dienstleistungen liegt. Die größte Anpassung gab es beim Ausgabenanteil für Güter des Bereichs Wohnen. Dieser liegt nun um 65 Promillepunkte niedriger als zuvor. Ein deutlich höheres Gewicht erhalten hingegen Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke (+22 Promille). Am Beispiel der Haushaltsenergie kann gezeigt werden, wie die Anpassung der Gewichte konkret zu Revisionsdifferenzen führt. Dieser Teilbereich der Wohnkosten wurde im Vergleich zum Basisjahr 2015 geringer gewichtet. Im Jahr 2022 stiegen nun die Energiepreise stark an. Aufgrund des bisher hohen Gewichts im Warenkorb zogen die Preisentwicklungen der Haushaltsenergie die gesamte Inflationsrate auf alter Basis stark nach oben. Da das Gewicht nun geringer ist, ist der Effekt auf die Gesamtinflation nicht mehr so stark und somit fallen auch die Inflationsraten im Jahr 2022 etwas kleiner aus.

Doch auf welcher Grundlage kommen diese Änderungen zustande? Den größten Anteil an der Veränderung hatte ein angepasstes Vorgehen bei der Ermittlung der Gewichte. Neben den Ergebnissen von amtlichen Haushaltsbefragungen verwendete das Statistische Bundesamt bei der aktuellen Überarbeitung erstmals auch Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, die weitere Datenquellen enthalten. Aufgrund starker Änderungen des Konsums haben auch Mengen- und Preiseffekte einen Teil zu den Verschiebungen beigetragen.

Angesichts der Schwierigkeiten, in die viele Haushalte durch die gestiegenen Lebenshaltungskosten geraten sind, mag es fast wie Hohn klingen, dass nun rechnerisch alles doch nicht ganz so schlimm gewesen sein soll. Aber sinnvoll ist die regelmäßige Anpassung der Gewichtung auf jeden Fall, nur braucht sie halt ihre Zeit – und bestätigt ein altes Volkswirte-Sprichwort: Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst manipuliert hast.

Autor: Daniel Rohde