Zeit ist Geld
Chart of the Week
„Zeit ist Geld“ ist nicht nur ein wertvoller Ratschlag für junge Kaufleute, wie 1748 von Benjamin Franklin gegeben, sondern auch für Frauen – egal welchen Alters. Denn je größer der Unterschied zur monatlich geleisteten Arbeitszeit der männlichen Kollegen ausfällt, desto größer ist auch der Gender Pay Gap.
Im Jahr 2021 verdienten Frauen pro Stunde durchschnittlich 19,12 Euro brutto pro Stunde und somit 4,08 Euro oder 18 Prozent weniger als Männer. Dementsprechend war am Dienstag dieser Woche Equal Pay Day, also der Tag, bis zu dem Frauen rein rechnerisch unentgeltlich arbeiten müssten, um ab dann den gleichen Bruttostundenlohn wie Männer zu erhalten. Nachdem der unbereinigte Gender Pay Gap im Jahr 2022 erneut bei 18 Prozent lag, wird es auch 2024 wieder rund 66 Tage dauern, bis dieser symbolische Tag stattfinden kann. Aufgrund von methodischen Veränderungen in der Berechnung des Gender Pay Gaps lassen die diesjährigen Ergebnisse zwar keinen wirklichen Vergleich mit den Vorjahreswerten zu, durchaus aber eine Differenzierung in den unbereinigten und den bereinigten Gender Pay Gap, die zuletzt im Jahr 2018 möglich war.
Es zeigt sich, dass Frauen, auch wenn sie vergleichbare Tätigkeiten wie ihre männlichen Kollegen ausüben, dabei die gleichen Qualifikationen mitbringen und ähnliche Berufserfahrung nachweisen können, 7 Prozent weniger Bruttostundenlohn erhalten als diese. Wären noch mehr Informationen verfügbar, die Einfluss auf die Lohnentwicklung haben könnten, ist davon auszugehen, dass der Verdienstunterschied sich noch einmal reduzieren würde. So wie eben aus 18 Prozent schnell „nur noch“ 7 Prozent werden, wenn man die strukturellen Unterschiede am Arbeitsmarkt berücksichtigt. Wie beispielsweise die Tatsache, dass Frauen sehr viel häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer, was in der Regel mit niedrigerem durchschnittlichen Bruttostundenlohn einhergeht.
Gender Hours Gap und Gender Pay Gap pro Altersgruppe
Unser Chart of the Week zeigt, dass zwischen der Differenz der geleisteten Arbeitsstunden zwischen Frauen und Männern, dem sogenannten Gender Hours Gap, und dem Gender Pay Gap ein positiver Zusammenhang besteht. Je größer die Differenz zwischen von Frauen und Männern geleisteten Arbeitsstunden pro Monat ausfällt, desto größer ist auch der Gender Pay Gap. Vor allem nach dem 30. Lebensjahr nehmen die Unterschiede in der geleisteten monatlichen Arbeitszeit zwischen Frauen und Männern sowie auch die Verdienstunterschiede zu, während die Differenz der geleisteten Arbeitsstunden zuvor bei nur etwa 8 Prozent liegt, und auch die unbereinigte Verdienstlücke zwischen Männern und Frauen mit durchschnittlich 3 Prozent gering ausfällt.
Ab dann ist die monatlich geleistete Arbeitszeit von Frauen allerdings rückläufig, während sie bei Männern weiter ansteigt. Wenig verwunderlich, denn bei der Geburt des ersten Kindes sind Frauen im Durchschnitt 30,2 Jahre alt. Und wie das Statistische Bundesamt vor rund einem Jahr mitteilte, arbeiteten im Jahr 2020 66 Prozent aller erwerbstätigen Mütter in Teilzeit. Bei den Vätern waren es 7 Prozent. Und auch in späteren Jahren verringert sich die Differenz der monatlich geleisteten Arbeitsstunden von Frauen und Männern nicht. In der Gruppe der 35- bis 49-Jährigen lag sowohl der Gender Hours Gap als auch der unbereinigte Gender Pay Gap bei 22 Prozent.
Über den Faktor Arbeitszeit lässt sich also ein großer Teil der Verdienstlücke zwischen Männern und Frauen erklären. Doch nicht nur die geschlechterspezifische Lohnlücke ließe sich verringern, wenn mehr als nur jede zweite erwerbstätige Frau in Vollzeit am Arbeitsmarkt tätig wäre. Auch dem Fachkräftemangel käme dies zugute. Laut Bundesarbeitsministerium entspräche eine zehnprozentige Erhöhung des Arbeitsumfangs von Frauen in Teilzeit in etwa 400.000 zusätzlichen Vollzeitstellen. Um dies zu ermöglichen, plant die Ampelkoalition einige Reformen – sowohl steuerlicher Natur als auch Kinderbetreuungsmöglichkeiten betreffend.
Dass Zeit Geld ist, zeigt der Gender Hours Gap also auf zweierlei Weise. Zum einen führt eine größere Differenz der geleisteten Arbeitszeit zu einer größeren geschlechterspezifischen Lohnlücke, zum anderen verstärkt ein großer Anteil von in Teilzeit tätigen Frauen den Fachkräftemangel. Strukturelle Reformen kämen an dieser Stelle also nicht nur der (finanziellen) Gleichheit zwischen Mann und Frau zugute, sondern auch der Wirtschaft insgesamt.