Die Roboter kommen (um zu helfen)

Chart of the Week

3 min Lesedauer 21.04.2023

Trotz voranschreitender Automatisierung steigt das Beschäftigungsniveau in Deutschland. Statt Arbeitsplatzverlust ist Fachkräftemangel angesagt. Dieser wird sich in den kommenden Jahren mit dem Ausscheiden der Babyboomer vom Arbeitsmarkt noch deutlich verschärfen. Roboter und künstliche Intelligenz sind innerhalb einer Dekade vom großen Angstgespenst zum vermeintlichen Hoffnungsträger geworden.

Rund 10 Jahre ist es her, dass die möglichen Folgen der neuen Automatisierungswelle für den Arbeitsmarkt für Schlagzeilen sorgten. Auch wir kamen damals zu dem Ergebnis, dass die fortschreitende Automatisierung mehr als jeden zweiten Arbeitsplatz beeinträchtigen könnte. Auf den ersten Blick scheinen die Roboter sich aber in den letzten 10 Jahren deutlich zurückgehalten zu haben – denn die Beschäftigung in Deutschland ist in den vergangenen Jahren nicht gesunken, sondern zwischen 2014 und 2022 um mehr als 10,5 Prozent gestiegen. Trotz Corona-Krise, trotz Ukraine-Krieg und auch trotz Automatisierung blieb der Arbeitsmarkt in Deutschland der stabile Rückhalt der gesamten Wirtschaft. Auf den zweiten Blick allerdings zeigt sich sehr wohl, dass die Automatisierung schon Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen hat. Die Beschäftigung ist in Berufen, die einer hohen Automatisierungswahrscheinlichkeit unterliegen, weniger stark gewachsen als in Berufen mit niedriger Automatisierungswahrscheinlichkeit und der strukturelle Trend weg von fachlichen Tätigkeiten hin zu hoch komplexen sowie Helfertätigkeiten wurde durch die Automatisierung verstärkt.

Dennoch, anstelle von Arbeitsplatzverlusten dominiert der Fachkräftemangel die aktuelle Diskussion. Zuletzt gaben mehr als 38 Prozent aller Industrieunternehmen an, dass ein Mangel an Arbeitskräften die Produktion limitiert. Im Dienstleistungsbereich lag der Anteil mit 43 Prozent noch höher. Dass sich der deutsche Arbeitsmarkt der Bedrohung aus der Zukunft zum Trotz stabil hält, liegt auch am demographischen Wandel, der die Arbeitsbevölkerung schrumpfen lässt. Allein zwischen 2015 und 2021 sind mehr als 5,5 Millionen Arbeitnehmer aufgrund des Alters in Rente gegangen.

Automatisierbarer Beschäftigungsanteil der Babyboomer für Berufe mit Beschäftigungsanteil dieser Altersgruppe <25%

Der Chart zeigt den automatisierbaren Beschäftigungsanteil der Babyboomer für Berufe mit Beschäftigungsanteil dieser Altersgruppe <25%
Quelle: Bundesagentur für Arbeit; Brzeski/Burk (2015); Frey/Osborne (2013)

In den kommenden Jahren dürfte sich der durch den demographischen Wandel getriebene Fachkräftemangel noch verstärken. Denn die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer, werden aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Somit gehen dem deutschen Arbeitsmarkt innerhalb der nächsten zwölf Jahre mehr als 10 Millionen Erwerbstätige oder 25 Prozent aller Beschäftigten im Jahr 2022 verloren. Besonders spürbar wird das in gebäude- und versorgungstechnischen Berufen sowie in Berufen der Führung von Fahrzeug- und Transportgeräten sein. In beiden Bereichen sind 38 Prozent der Beschäftigten älter als 55 Jahre. Den aktuell geringsten Anteil an Beschäftigen älter als 55 Jahre gibt es mit 15 Prozent in Tourismus, Hotel und Gaststättenberufen, in Medienberufen und in Informatik und anderen IKT-Berufen.

Viele der Berufe, in denen viele bald in Ruhestand gehende Beschäftigte arbeiten, weisen hohe Automatisierungswahrscheinlichkeiten auf, sodass mehr als 4,8 Millionen der aus dem Arbeitsmarkt ausscheidenden Babyboomer durch Roboter ersetzt werden könnten. Die Automatisierung könnte die Lücke am Arbeitsmarktfast zur Hälfte füllen. Fast jeden Babyboomer könnten Roboter sogar in Berufen wie im Gartenbau, in der Qualitätssicherung und in der Buchhaltung ersetzen. Der Beschäftigungsanteil der Babyboomer in diesen Berufen liegt mit zwischen 29 und 38 Prozent ebenfalls deutlich über dem Durchschnitt von 25 Prozent.

Der demographische Wandel lässt sich nicht aufhalten, doch die Roboter könnten uns tatsächlich helfen mit den Folgen der alternden Gesellschaft für den Arbeitsmarkt umzugehen.

Zum Download: Unsere Studie „Die Roboter kommen (um zu helfen)“

Autor: Carsten Brzeski, Franziska Biehl, Tom Ungar