Die Zinserhöhungsparty neigt sich dem Ende zu
Chart of the Week
Ein beliebter Spruch beim Verlassen einer Party: Man soll gehen, wenn es am schönsten ist. Die Fed hat sich, unserer Ansicht nach, in dieser Woche, nach einem finalen Zinsschritt, von der globalen Zinserhöhungsparty verabschiedet. Nachdem die EZB ein wenig spät zur Feierlichkeit erschienen war, denken wir, dass sie noch etwas bleiben wird. Wir hoffen allerdings, dass sie wie jeder gute Gast weiß, wann es Zeit zu gehen ist.
Sowohl die US-amerikanische Zentralbank, die Fed, als auch die EZB erhöhten in dieser Woche die Leitzinsen um 25 Basispunkte, wodurch die Leitzinspanne in den USA nun bei 5-5,25 Prozent steht und der Einlagenzins der EZB bei 3,25 Prozent. So hoch lagen die Leitzinsen in den USA nicht mehr seit 2007, in der Eurozone seit 2008. Doch auch die Inflation, gegen die die Währungshüter mittels der aggressiven Zinserhöhungszyklen anzukämpfen versuchen, lag zuletzt weiterhin auf unerwünscht hohen Niveaus. Sowohl die Fed als auch die EZB verfolgen ein Inflationsziel von 2 Prozent. In den USA lag die jährliche Preissteigerung im März allerdings bei 5 Prozent, in der Eurozone im April, nach einem überraschenden leichten Anstieg, bei 7 Prozent.
Zwar sind dies deutliche Rückgänge von den zum Höhepunkt im letzten Jahr erreichten Werten von 9,1 Prozent in den USA und 10,6 Prozent in der Eurozone, doch insbesondere der Blick auf die zugrundeliegenden Inflationstreiber erklärt, warum sowohl der Fed-Vorsitzende Jerome Powell als auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde in diesem Rückgang keinen Grund für Freudensprünge finden. Unser Chart of the Week zeigt, dass die niedrigeren Teuerungsraten hauptsächlich auf negative Basiseffekte der Energiepreise zurückzuführen sind.
Beitrag zur Gesamtinflation (%-Punkte) und Gesamtinflation (%YoY) in der Eurozone und in den USA
Leistete der Anstieg der Energiepreise in den Monaten, in denen die Inflationsraten der USA und der Eurozone ihren Höhepunkt erreicht hatten, noch einen Beitrag von 3,1 bzw. 4,5 Prozentpunkten zur Gesamtinflation, reduzierten die im Vergleich zum Vorjahr niedrigeren Energiepreise die jährliche Teuerungsrate in den USA im März um 0,2 Prozentpunkte. Und auch in der Eurozone trug die Energie-Inflation nur 0,25 Prozentpunkte zur Gesamtinflation von 7 Prozent bei. Doch der Blick unter die Oberfläche der Gesamtinflation zeigt nicht nur, dass die angebotsseitigen Inflationstreiber abnehmen, sondern vor allem, dass die nachfrageseitigen Treiber immer stärker an Bedeutung gewinnen. In der Eurozone wurde die Teuerungsrate zu fast einem Drittel von Preissteigerungen im Dienstleistungsbereich getrieben, in den USA kann die nach wie vor hohe Inflation fast vollständig auf diesen Bereich zurückgeführt werden. Das erklärt auch, warum sich die Kerninflation, bei der die volatilen Energie- und Lebensmittelpreise herausgerechnet werden, sowohl in den USA als auch in der Eurozone hartnäckig hoch hält.
Für die EZB stellt die Verschiebung weg von einer angebotsgetriebenen Inflation hin zu einer nachfragegetriebenen Inflation, bei der der Rückgang der Kerninflation aufgrund von anhaltend hohen Verkaufspreiserwartungen im Dienstleistungsbereich sowie aufgrund von Lohnanstiegen nur schwerfällig sein wird, eine deutliche Einladung dar, um noch ein wenig länger auf der Zinserhöhungsparty zu bleiben. Nach der Erhöhung um 25 Basispunkte in dieser Woche erwarten wir, dass die EZB die Zinsen im Juni noch ein weiteres Mal um einen viertel Prozentpunkt anheben wird. Und danach? Naja, das Risiko die Party zu spät zu verlassen steigt von Meeting zu Meeting.