Das neue Wohnen im Grünen

Chart of the Week

3 min Lesedauer 23.06.2023

Die Pläne der Bundesregierung und der Europäischen Kommission zur grünen Transformation des Immobilienmarktes sind, insbesondere unter Anbetracht diverser Friktionen, ambitioniert. Auswirkungen auf den Wohnimmobilienmarkt hat die grüne Wende dennoch bereits jetzt: hat man in der Vergangenheit für eine besonders gute Lage draufgezahlt, werden heute Energieeffizienzprämie und Sanierungsabschlag fällig.

In der grünen Transformation, die sowohl auf EU-Ebene als auch von Seiten der Bundesregierung aktuell deutlich vorangetrieben wird, spielt der Gebäudesektor eine entscheidende Rolle. Denn auf diesen entfallen rund 35 Prozent des Endenergieverbrauchs, bzw. 30 Prozent der Treibhausgasemissionen. Der größte Anteil am gebäuderelevanten Energieverbrauch entfällt dabei auf die Raumwärme – und genau hier planen die Regierungen anzusetzen. Nicht nur weniger Energie soll verbraucht werden, die verbrauchte Energie soll auch möglichst grün sein. Davon ist Deutschland allerdings noch weit entfernt. Neben dem Heizen der Wohnung, worauf drei Viertel des gesamten Energiebedarfs im Haushaltssektor entfallen, wird in diesem Bereich auch zum kühlen der Räume, zur Warmwasserbereitung, zur Beleuchtung oder für Elektrogeräte und zum Kochen Energie benötigt. Dabei werden drei Viertel des gesamten Energiebedarfs von Haushalten durch Gas und Öl gedeckt, während nur 18 Prozent durch erneuerbare Energien oder Wärmepumpen bereitgestellt werden. Damit liegt Deutschland auch im internationalen Vergleich hinten. Noch geringer ist der Anteil der Erneuerbaren am gesamten Energiebedarf nur in Spanien, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und Irland.

„Sanierungsabschlag“ von Energieeffizienzklasse A+ pro Energieeffizienzklasse

Der Chart zeigt den „Sanierungsabschlag“ von Energieeffizienzklasse A+ pro Energieeffizienzklasse.
Quelle: ING

Hinzukommt, dass der deutsche Wohnimmobilienbestand in die Jahre gekommen ist. Mehr als 65 Prozent aller deutscher Wohnimmobilien wurde vor 1979 erbaut. Nur 3 Prozent des Hausbestands wurde nach 2011 fertiggestellt. Doch trotz des enormen Spielraums für grüne Sanierungen, wurden zwischen 2012 und 2016 pro Jahr nur an durchschnittlich 0,1 Prozent des Hausbestands Sanierungen vorgenommen, die weitreichende Energieeinsparungen zur Folge hatten. Um das Ziel der EU-Kommission zu erreichen, dass bis zum Jahr 2033 alle Wohnimmobilien mindestens das Energielabel D tragen, müssen in den nächsten 10 Jahren 64 Prozent des deutschen Wohnimmobilienbestands, rund 12,5 Millionen Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäuser, tiefgehend saniert werden. Die Rate der tiefgehenden Sanierungen müsste dazu um 65-mal höher, bei 6 Prozent des Wohnimmobilienbestands, liegen. Die Kosten für dieses Vorhaben dürften, ohne Berücksichtigung etwaiger Förderungen, insgesamt zwischen 740 Milliarden und 1 Billion Euro betragen. Denn die grüne Transformation am Wohnimmobilienmarkt geht weit über den Heizungstausch hinaus.

Eine Billion Euro in die Hand nehmen, um 64 Prozent des deutschen Wohnimmobilienbestands zu sanieren, ist ein mehr als ambitioniertes Vorhaben. Das legt sowohl der Blick auf die Sanierungsaktivität der Vergangenheit als auch auf das herausfordernde Umfeld aus Fachkräftemangel und finanziellen Friktionen nahe. Auch auf die Wohnimmobilienpreise wird der Weg zum grünen Wohnen Einfluss nehmen. War früher die Lage das ausschlaggebende Kriterium für den Angebotspreis, dürften in Zukunft Effizienzprämien anfallen. Die differente Entwicklung der Hauspreise, die bereits im letzten Quartal begonnen hat, dürfte sich weiter verstärken. „Wohnen im Grünen“ bekommt eine ganz neue Bedeutung.

Zum Download: Unsere Studie "Das neue Wohnen im Grünen"

Autor: Carsten Brzeski, Franziska Biehl, Daniel Rohde