Starstruck
Chart of the Week
Wer Künstler ist, misst seinen Erfolg gerne in verkauften Platten, der Anzahl an Musik-Downloads oder der Größe des Veranstaltungsortes, an dem Konzerte gegeben werden. Sollte zukünftig auch die Erwähnung im „Beige Book“ der US-amerikanischen Zentralbank zum erklärten Ziel gehören? Und ist es möglich, dass wir Volkswirte auch Tourpläne in die Wirtschaftsprognosen einbeziehen sollten?
Bereits im vergangenen Jahr haben wir gelernt, dass es weitaus mehr als die allseits bekannten Konjunkturtreiber gibt. Das Wetter spielte beispielsweise eine entscheidende Rolle. Zu wenig Regen bei zeitgleich großer Hitze im Sommer ließen die Wasserpegel sinken, sodass Frachtschiffe nur noch gering beladen über die Wasserstraßen fahren konnten, was die zu diesem Zeitpunkt nach wie vor angespannten Lieferketten zusätzlich belastete. Im Winter hingegen sorgten milde Temperaturen dafür, dass die Gasspeicher ordentlich gefüllt blieben, eine Gasmangellage vermieden werden konnte und die Marktpreise sich beruhigten. Um die konjunkturelle Lage und die wirtschaftlichen Aussichten zu beurteilen, reicht es also nicht mehr, lediglich die altherkömmlichen Frühindikatoren oder Konjunkturdaten zu beurteilen. In den vergangenen Wochen schien es sogar, als müsste in Zukunft noch ein weiterer Faktor in Betracht gezogen werden: die Tourpläne der Weltstars.
Letzte Woche veröffentliche die US-amerikanische Zentralbank, die Fed, ihr sogenanntes „Beige Book“ – eine Zusammenfassung an Kommentaren der zwölf regionalen Zentralbanken über die wirtschaftlichen Entwicklungen in ihrer Region. Die Federal Reserve Bank of Philadelphia hob in ihrem Bericht hervor, dass die Konzerte der Sängerin Taylor Swift erheblich dazu beigetragen hätten, dass im Mai im Hotelgewerbe die höchsten Umsätze seit Ausbruch der Corona-Pandemie erzielt wurden. Weniger positiv wurden die wirtschaftlichen Effekte des Eröffnungskonzerts Beyoncés in Stockholm vom Chefvolkswirt der Danske Bank in Schweden beurteilt – die schwedische Inflation sei aufgrund gestiegener Preise für Hotelübernachtungen und Restaurantbesuche im Mai weniger zurückgegangen als erwartet. Zur schwedischen Gesamtinflation, die im Mai bei 0,3 Prozent im Vergleich zum Vormonat lag, leistete die Komponente einen Beitrag von 0,3 Prozentpunkten.
Beitrag der Komponente Hotels & Restaurants zur deutschen Gesamtinflation (%MoM) im Juni des jeweiligen Jahres
Doch nicht nur durch Schweden tourte Queen B – auch in Deutschland war sie im Juni zu Gast, und zwar in Frankfurt, Köln und Hamburg. Lässt sich also auch hierzulande ein Beyoncé-Effekt im Juni feststellen? Unser Chart of the Week zeigt, dass das nicht der Fall ist. Zur deutschen Gesamtinflation im Juni, die, gemessen am harmonisierten Verbraucherpreisindex, bei 0,4 Prozent im Vergleich zum Vormonat lag, trug die Komponente Hotel und Restaurants 0,05 Prozentpunkte bei, genauso wie auch schon im Mai. Im Juni der Jahre 2021 und 2022 trug die Preissteigerung im Bereich Hotel und Restaurants 0,06 Prozentpunkte zur Gesamtinflation bei. Einen Ausreißer nach oben gab es im Juni dieses Jahres also nicht. Dass die Komponente in diesem so wie in den letzten beiden Jahren einen leicht höheren Beitrag als in den Vorpandemiejahren leistete, dürfte eher darauf zurückzuführen sein, dass insbesondere im Gastgewerbe Aufholeffekte nach der Pandemie von großer Bedeutung sind – sowohl was die Nachfrage als auch was die Preise betrifft.
Ein Blick auf die regionalen deutschen Daten zeigt, dass die Preise in der Kategorie Hotel und Restaurant im Juni im Vergleich zum Vormonat weder in Hessen noch in Nordrhein-Westfalen stärker als in Deutschland insgesamt gestiegen sind. Auch hier lassen sich also keine Hinweise darauf finden, dass die Sängerin maßgeblich zur Preissteigerung im Juni beigetragen haben könnte.
Im Auge behalten sollten wir Ökonomen die Tour-Kalender der großen Stars dennoch: im Juli nächsten Jahres wird Taylor Swift in drei deutschen Städten auftreten – die Nachfrage nach Hotels und Ferienwohnungen in Gelsenkirchen, einem der Veranstaltungsorte, ist bereits jetzt deutlich angestiegen, wie Untersuchungen der Reisedienstleister „Expedia“ und „FeWo-Direkt“ zeigen. Ob die „Swifties“ im nächsten Juli für einen Schub im Hotelgewerbe oder einen Anstieg der Preise sorgen werden, bleibt abzuwarten. Fest steht allerdings schon jetzt, dass Künstler den Erfolg nicht mehr nur an den gängigen Kennzahlen messen sollten – sondern auch an der Aufmerksamkeit von Volkswirten und Notenbankern.