Stürzen Studienkredite die USA in die Rezession?

Chart of the Week

3 min Lesedauer 08.09.2023

In der jüngeren Vergangenheit wurden mehrere Wachstumsrisiken als möglicher Auslöser einer bevorstehenden Rezession in den Vereinigten Staaten gehandelt. Diese stellte sich jedoch nicht ein. Weder die Bankenkrise im Frühjahr rund um die Pleite der Silicon Valley Bank noch das regelmäßig wiederkehrende Drama um die Ausweitung der staatlichen Schuldenobergrenze konnten der robusten US-Konjunktur genug anhaben, um das gefürchtete R-Wort Wirklichkeit werden zu lassen. Auch die Leitzinserhöhungen der Fed nahmen der größten Volkswirtschaft der Welt bislang nicht den Wind aus den Segeln. Doch nun klopft ein weiterer apokalyptischer Reiter an die Tür.

Aus deutscher Perspektive mag es etwas seltsam erscheinen, dass nun Studienkredite als großes Konjunkturrisiko gehandelt werden. Hierzulande ist das Erststudium in den meisten Fällen noch immer gebührenfrei. Auch Studienmaterialien, WG-Zimmer und sonstiger Lebensunterhalt wollen natürlich bezahlt werden, doch nur wenige nehmen dafür einen Kredit auf. Laut Deutschem Studentenwerk gehen hingegen 68 Prozent der Studierenden in Deutschland einer Neben-Erwerbstätigkeit nach.Mit Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, die im Regelfall jeweils hälftig als Zuschuss und als Darlehen gezahlt werden, wurden im Jahr 2022 Studierende mit 2,5 Milliarden Euro unterstützt. Der bei weitem größte Anbieter von Studiendarlehen, die KfW, gibt für das Geschäftsjahr 2022 ein zugesagtes Gesamtkreditvolumen für den Bereich Bildung von 1,9 Milliarden an. Zwar werden auf die während der Corona-Pandemie bis September 2022 zinsfrei gestellten KfW-Studienkredite nun wieder Zinsen berechnet, die aufgrund variabler Verzinsung vor dem Hintergrund der Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank manche Studierende und Studierte vor Schwierigkeiten stellen. Doch als großes Konjunkturrisiko sieht das wohl kein hiesiger Volkswirt.

US-Studienkredite, ausstehendes Gesamtvolumen in USD

Der Chart zeigt die Entwicklung des ausstehenden Gesamtvolumens an Studienkrediten in den USA in USD von 2006 bis 2022.
Wert jeweils zum Jahresende; Quelle: U.S. Federal Reserve Data

Hingegen wuchs in den USA das ausstehende Volumen an Studienkrediten im Jahr 2022 um rund 30 Milliarden auf einen Gesamtbestand von fast 1,8 Billionen Dollar an, wie unser Chart der Woche zeigt. Studiengebühren sind hier eher die Regel als die Ausnahme und können sich durchaus auf fünfstellige Beträge je Semester belaufen. Zwar sind Stipendien in den USA weiter verbreitet als hier, doch decken diese oft nicht die vollen Kosten für Studium und Lebensunterhalt. So ist es durchaus üblich, schon ab der Geburt eines Kindes Geld für dessen späteres Studium zurückzulegen. Wo das nicht möglich ist oder nicht ausreicht, ist ein Darlehen oft die einzige Möglichkeit, ein Studium zu finanzieren. Nach einer Untersuchung des US-Bildungsministeriums wird ein vierjähriges Studium üblicherweise mit einem Schuldenstand von 25.000 Dollar abgeschlossen.

Die Rückzahlungen der aus US-Bundesmitteln gewährten Studienkredite, die über 90 Prozent des Gesamtvolumens ausmachen, waren während der Corona-Pandemie ausgesetzt worden und werden ab Oktober wieder fällig. Das Vorhaben von Präsident Biden, einen Teil dieses Schuldenstands zu erlassen, scheiterte Ende Juni am Veto des Supreme Court, des höchsten US-Verfassungsgerichts. Mit den nun wieder einsetzenden Rückzahlungen kommen Ausgaben von mehreren hundert Dollar pro Haushalt auf die Verbraucher*innen zu. Bislang hatten diese zu weiten Teilen trotz der gestiegenen Lebenshaltungskosten ihren Lebensstandard mithilfe von Ersparnissen aus der Corona-Zeit und über die Nutzung von Kreditlinien aufrechterhalten. Doch ob sie auch diese Belastung noch zusätzlich schultern können, scheint fraglich – womöglich sind die Rückzahlungen der Studienkredite tatsächlich der Tropfen, der das Rezessionsfass zum Überlaufen bringt.

 

Über das Thema der Studienkredite in den USA unterhalten sich unsere Volkswirte auch in der aktuellen Folge unseres Podcasts.

Autor: Sebastian Franke