Der Winter naht…

Chart of the Week

4 min Lesedauer 29.09.2023

…auch wenn es zugegebenermaßen bei den aktuell spätsommerlichen Temperaturen schwer fällt an den Winter zu denken. Dennoch. Der Beginn der Heizsaison steht vor der Tür! Anlass genug um einen Blick auf Gasspeicherfüllstände, Energiepreise und nicht zuletzt das Wetterphänomen El Niño zu werfen.

„Von O bis O“ lautet nicht nur eine Faustregel für die Zeitspanne, in der Autos mit Winterreifen ausgestattet sein sollten, auch die Heizperiode fällt grob auf die Zeit zwischen Oktober und Ostern. Sie beginnt jeweils am 01. Oktober eines Jahres und endet am 30. April des darauffolgenden Jahres. Der aktuelle Blick nach draußen und aufs Thermometer bestätigt zwar jedes Klischee eines „goldenen Herbstes“, doch die kühlere Jahreszeit steht unweigerlich bevor – wenn auch wahrscheinlich noch nicht diesen Sonntag. Im vergangenen Jahr wurde bereits im Sommer mit großer Unsicherheit auf den Beginn der Heizperiode geschaut, weswegen die gesetzlich vorgegebenen Gasspeicherfüllstände Ende Juli 2022 erhöht wurden. Zum 01. Oktober eines jeden Jahres müssen die Gasspeicher nun zu 85 Prozent gefüllt sein, zum 01. November zu 95 Prozent. Ein Blick auf den aktuellen Füllstand der Gasspeicher zeigt, dass das Novemberziel bereits in dieser Woche erreicht wurde. Der durchschnittliche Füllstand der Jahre 2017-2021 lag zu diesem Zeitpunkt bei rund 86 Prozent.

Besonders wenig Gas verbrauchte bisher in diesem Jahr die Industrie, was allerdings nicht durch eine reine Umstellung der Prozesse, sondern auch durch die schwache Auftragslage und den damit verbundenen Produktionsrückgang bedingt sein dürfte. Aktuell liegt auch der Gasverbrauch von Haushalten unterhalb des Durchschnittsverbrauchs der Jahre 2018-2021. Da dieser stärker von den Temperaturen beeinflusst wird, sorgten die milden Temperaturen im vergangenen Winter für einen niedrigeren Gasverbrauch, im Umkehrschluss für gut gefüllte Gasspeicher zum Ende der Heizperiode und, zu guter Letzt, für eine Normalisierung der Gaspreise, als die Spekulationen über einen möglichen Versorgungsengpass abebbten. Ob es ein kalter, ein normaler, oder ein warmer Winter wird, ist also nicht nur für die Liebhaber von Wintersport, sondern, mit Blick auf die Energiepreisentwicklung, auch für uns Volkswirte von großem Interesse.

Abweichung der Durchschnittstemperatur im jeweiligen Winter vom Mittelwert der Jahre 1991-2020 (in Grad Celsius)

Der Chart zeigt die Abweichung der Durchschnittstemperatur im jeweiligen Winter vom Mittelwert der Jahre 1991-2020 (in Grad Celsius)
Quelle: Wetterkontor; ING Economic & Financial Analysis

Aufgrund der Tatsache, dass im Sommer zum ersten Mal seit gut 8 Jahren sehr starke El Niño-Bedingungen im pazifischen Ozean festgestellt wurden, ganz besonders. Das Klimaphänomen, bei welchem sich im Ostpazifik eine Wärmeanomalie bildet, tritt alle zwei bis sieben Jahre auf, dauert rund 12 Monate und erreicht seinen Höhepunkt um die Weihnachtszeit, woher auch der Name „El Niño de Navidad“ – das Christkind – kommt. Global betrachtet führt das Wetterphänomen zu höheren Temperaturen. Ganz im Gegensatz zum Schwesterphänomen, La Niña, das global zu niedrigeren Temperaturen führt. Gemein haben die beiden, dass sie Extremwetter wie Dürren und Überschwemmungen begünstigen.

Die direkten Einflüsse El Niños auf das europäische Wetter werden von Klimaexperten allerdings eher als gering eingestuft. Und auch unser Chart of the Week zeigt, dass El Niño-Ereignisse nicht zwangsläufig mit überdurchschnittlich hohen Wintertemperaturen in Deutschland einhergehen. Zwar lag die Durchschnittstemperatur in den beiden letzten sehr starken El Niño-Wintern, also im Winter 2015/2016 und im Winter 1997/1998, um 2,2 Grad Celsius bzw. 1,5 Grad Celsius oberhalb des Mittelwerts der Jahre 1991-2020, in Jahren mit moderatem El Niño-Ereignis lag sie aber auch schon unterhalb dieses Durchschnitts, während auch schwache El Niño-Ereignisse bei überdurchschnittlicher Temperatur beobachtet wurden. Anhand der vergangenen El Niño-Winter lässt sich also nicht eindeutig darauf schließen, dass auch der Winter 2023/2024 wieder ein milder werden wird. Insgesamt sehen die Experten aktuell allerdings wieder einen eher zu warmen Winter auf uns zukommen.

Auch wenn Wettervorhersagen so weit in die Zukunft ähnlich herausfordernd zu prognostizieren sind wie im aktuellen Umfeld Inflation und Wirtschaftswachstum: der Winter naht. Die winterlichen Temperaturen werden wieder maßgeblich über Gasspeicherfüllstände und Gaspreise bestimmen. Und somit auch darüber, ob die ohnehin schon gebeutelte deutsche Wirtschaft in den Wintermonaten zusätzlichen Belastungen ausgesetzt sein wird oder nicht.

Autor: Franziska Biehl