Auf die Basis kommt es an

Chart of the Week

4 min Lesedauer 03.11.2023

Mit einem vorläufigen Wert von 3,8 Prozent bezifferte das Statistische Bundesamt am Montag dieser Woche die Steigerungsrate der Verbraucherpreise im Vergleich zum Vorjahresmonat. Damit liegt die Inflationsrate so niedrig wie zuletzt im August 2021, nachdem sie zwischenzeitlich auf fast 9 Prozent geklettert war. Und der Trend zeigt weiter nach unten. Herrscht also bald wieder eitel Sonnenschein in den Portemonnaies der Verbraucherinnen und Verbraucher? Nicht ganz.

Denn natürlich bedeutet eine zurückgehende Inflationsrate keine zurückgehenden Preise – nur einen langsameren Anstieg als bisher. Selbst wenn die Inflationsrate ab dem kommenden Monat bei null läge, wäre der statistische Warenkorb weiterhin 13 Prozent teurer als noch im Oktober 2021. Erst sinkende Preise, also negative Inflationsraten, würden den Kaufkraftverlust auf Verbraucherseite umkehren. Da die aber nicht in Sicht sind, bleibt nur die Hoffnung, diesen Verlust durch Einkommenssteigerungen zu kompensieren. Trotz sinkender Inflationsraten bleibt das Leben teuer.

In gewohnt nüchterner Manier drückten die Statistiker aus Wiesbaden diesen Sachverhalt in ihrer Pressemitteilung mit dem Hinweis auf einen Basiseffekt aus, der insbesondere im Bereich der Energiepreise zum Tragen kam. Diese waren im Laufe des Jahres 2022 vor allem im Zuge des Kriegs in der Ukraine rapide angestiegen. Im Vergleich zu den hohen Werten, die sie im Oktober 2022 erreicht hatten, lagen sie im Oktober 2023 tatsächlich sogar um 3,2 Prozent niedriger – damit aber immer noch fast 50 Prozent höher als zwei Jahre zuvor. Was schon teuer ist, braucht keine hohen Steigerungsraten, um weiterhin teuer zu bleiben – so lässt sich der sogenannte Basiseffekt auf den Punkt bringen.

Inflationsrate (Änderung der Verbraucherpreise im Vergleich zum Vorjahresmonat in %)

Der Chart zeigt den Verlauf der Inflationsrate im Vergleich der Jahre 2022 und 2023
Quelle: Statistisches Bundesamt

Unser Chart der Woche zeigt den Jahresverlauf der Inflationsrate für dieses und letztes Jahr und gibt ein Beispiel dafür, wie ein solcher Basiseffekt auch in die entgegengesetzte Richtung wirken kann. Im Laufe des Jahres 2022 stiegen die Preise nicht nur, sie stiegen sogar immer schneller, was sich in stetig steigenden Inflationsraten im Jahresverlauf ausdrückte.

Eine Pause machte dieser Anstieg nur in den Sommermonaten Juni, Juli und August – die Preise stiegen zwar weiter, doch nahm wenigstens das Tempo des Preisanstiegs nicht weiter zu, die Inflationsrate blieb annähernd stabil. Dies war hauptsächlich auf Maßnahmen der Bundesregierung zur Subventionierung von Mobilität zurückzuführen: das 9-Euro-Ticket und den sogenannten Tankrabatt, welche Bahn- und Autofahrten künstlich verbilligten. Ab September ging dann die Inflationsrate wieder deutlich nach oben.

Im Laufe des Jahres 2023 hingegen ließ der Preisdruck langsam nach – die Geschwindigkeit des Preisanstiegs verlangsamte sich immer weiter, die Inflationsrate nahm ab. Doch auch diese Entwicklung pausierte in den Sommermonaten. Der Grund hierfür ist ebenfalls ein Basiseffekt: Die nicht mehr subventionierten Preise im Bereich Mobilität aus dem Sommer 2023 wurden mit den künstlich verbilligten Preisen aus dem Sommer 2022 verglichen, wodurch der Rückgang der Inflationsrate weniger stark ausfiel und diese auch jetzt für drei Monate stagnierte. Und erneut nahm die vorherige Entwicklung nach dem Auslaufen dieses Basiseffekts im September wieder Fahrt auf – daraus ergibt sich der annähernd spiegelbildliche Verlauf der Inflationsrate in den Jahren 2022 und 2023.

Niedrigere Inflation im Sommer 2022, dafür höhere Inflation im Sommer 2023 – waren Tankrabatt und 9-Euro-Ticket also ein Nullsummenspiel? Natürlich nicht, denn das, was Verbraucherinnen und Verbraucher tatsächlich zahlen, bemisst sich nicht an Steigerungsraten, sondern am absoluten Preisniveau. Und das lag für drei Monate niedriger, als es ansonsten der Fall gewesen wäre. Ob die fast 6 Milliarden Euro, die sich der Bund diese Maßnahmen kosten ließ, gut angelegtes Geld waren, darüber lässt sich natürlich – wie meistens – trefflich streiten.

Autor: Sebastian Franke