Sparstrümpfe stopfen statt Kassen klingeln lassen

Chart of the Week

4 min Lesedauer 17.11.2023

Mit dem in der nächsten Woche anstehenden Black Friday, der für viele Verbraucherinnen und Verbraucher die Zeit zum Weihnachtsshoppen einläutet, steht dem Einzelhandel normalerweise eine der absatzstärksten Zeiten des Jahres bevor. Aktuell scheint Vorsichtssparen allerdings über Konsumfreude zu gehen – weder für den Einzelhandel noch für die deutsche Wirtschaft im Allgemeinen sind das gute Nachrichten.

Am Freitag nach Thanksgiving die Weihnachtsshopping-Saison einzuläuten, ist längst nicht mehr nur ein US-amerikanischer Brauch. Auch hierzulande wird sowohl online als auch im stationären Einzelhandel mit Rabattaktionen gelockt – mittlerweile nicht nur am sogenannten Black Friday, sondern über die gesamte Woche hinweg sollen Verbraucherinnen und Verbraucher mit Sonderpreisen oder Rabatten zum Konsum animiert werden. Allerdings scheint es, als hielte sich die Konsumfreude in diesem Jahr deutlich in Grenzen. Der Handelsverband Deutschland (HDE) rechnet zum diesjährigen Black Friday zwar mit einem Ausgabenplus von 3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, im Jahr 2022 lagen die Aktionsausgaben im Vergleich zu 2021 allerdings noch um fast 20 Prozent höher, in den Jahren 2021 und 2020 steigerten die Verbraucherinnen und Verbraucher die Ausgaben um jeweils mehr als 20 Prozent. Die Tage rund um den diesjährigen Black Friday dürften den Einzelhandel also nicht aus der Flaute holen, die bereits seit dem Sommer herrscht. Auch für das gesamte Weihnachtsgeschäft, also für die Monate November und Dezember sieht es nicht besser aus. Der HDE rechnet damit, dass das diesjährige Weihnachtsgeschäft dem Einzelhandel ein nominales Umsatzplus von 1,5 Prozent bescheren wird – preisbereinigt entspricht das im Vergleich zum Vorjahr allerdings einem Minus von 5,5 Prozent.

Veränderung der jährlichen Konsumausgaben von Haushalten (in 2015-Preisen; Index, 2019=100)

Der Chart zeigt die Veränderung der jährlichen Konsumausgaben von Haushalten (in 2015-Preisen; Index, 2019=100)
Quelle: Eurostat; ING Economic & Financial Analysis

Ähnliches lässt die Weihnachtsstudie 2023 der Beratungsgesellschaft Ernst & Young ahnen, laut der die Deutschen in diesem Jahr 250 Euro für Weihnachtsgeschenke auszugeben planen – zwei Euro weniger als im Jahr 2022 und 31 Euro weniger als noch im Jahr 2019. Der Grund für die zurückhaltende Konsumfreude liegt auf der Hand: die Lebenshaltungskosten sind in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen, sodass prozentual ein größerer Anteil vom verfügbaren Einkommen für den sogenannten notwendigen Konsum, wie beispielsweise Lebensmittel, Energie und Miete, aufgebracht werden muss.

In Zeiten, in denen die Verbraucherinnen und Verbraucher einen Einkommensverlust erleben oder in denen die Unsicherheit über die künftige wirtschaftliche Entwicklung hoch ist, neigen sie insbesondere dazu, den nicht-notwendigen Konsum anzupassen. Das zeigt auch unser Chart of the Week: sowohl während der Finanzkrise als auch in den Jahren nach der Corona-Pandemie wurden insbesondere die Konsumausgaben für den nicht-notwendigen Konsum, wie beispielsweise Hotel- und Restaurantbesuche und Urlaube, reduziert. Dass der Rückgang während der Pandemie so stark ausgefallen ist, war zudem dadurch getrieben, dass viele nicht-notwendige Konsumausgaben schlichtweg nicht möglich waren. Der notwendige Konsum, andererseits, ist deutlich schwieriger zu regulieren. Energie- und Mietzahlungen, Lebensmittel – diese Positionen lassen sich nur bedingt beeinflussen.

In den vor uns liegenden Monaten, auch noch über die Weihnachtssaison hinaus, ist nicht davon auszugehen, dass die Kauflaune steigen wird. Denn nicht nur dürfte angesichts der nach wie vor auf hohem Niveau liegenden Lebenshaltungskosten und dem Reallohnverlust der letzten Jahre weiterhin auf nicht-notwendigen Konsum verzichtet werden, auch liegt die Sparneigung der Deutschen auf hohem Niveau, während die Einkommenserwartungen zuletzt rückläufig waren.

Tatsächlich gehen auch wir nicht davon aus, dass im nächsten Jahr mit starken Lohnanstiegen zu rechnen ist – insbesondere nicht, da sich der Arbeitsmarkt langsam abkühlt und sich die Aussicht auf wirtschaftliche Stagnation auch im nächsten Jahr von Monat zu Monat verfestigt. Vorsichtssparen dürfte daher zurück an die Tagesordnung kehren und der Trend für die kalte Jahreszeit dürfte eher Sparstrümpfe stopfen statt Kassen klingeln lassen sein. Für die deutsche Wirtschaft bedeutet das vor allem eines: der private Konsum wird auch 2024 nicht als Stabilisator oder gar als Wachstumsmotor dienen – ganz im Gegenteil.

Autor: Franziska Biehl