Warum zu Weihnachten „Geld verschenken“?
Chart of the Week
Weihnachten steht vor der Tür und damit die Zeit der Besinnlichkeit, des Beisammenseins und, natürlich, des Beschenkens. Letzteres führt allerdings nicht nur regelmäßig zu langen Gesichtern unterm Weihnachtsbaum, sondern auch dazu, dass monetäre Mittel fehlallokiert werden. Das aus ökonomischer Sicht perfekte Geschenk? Kein Geschenk. Denn selbst, wer zum Fest der Liebe Gutscheine verschenkt, verschenkt damit nicht nur im wahrsten sondern auch im übertragenen Sinne des Wortes Geld.
Weihnachten und Geschenke - das gehört einfach zusammen wie…wie die Verbreitung vorweihnachtlichen Missmuts und volkswirtschaftliche Theorien. Zwar fällt das Geschenkebudget der Deutschen in diesem Jahr aufgrund der hohen Inflation und des generellen Anstiegs der Lebenshaltungskosten mit durchschnittlich 250 Euro etwas geringer aus als im Vorjahr, unter dem Weihnachtsbaum landen aber nach wie vor die gleichen Produkte wie auch in den Vorjahren. Das jedenfalls zeigt die Weihnachtsstudie der Beratungsgesellschaft EY. Das beliebteste Geschenk der Deutschen ist laut EY erneut der Geschenkgutschein bzw. das Geldgeschenk. Aus volkswirtschaftlicher Sicht gar keine schlechte Wahl.
Denn der Geschenkgutschein bzw. das Geldgeschenk sind laut volkswirtschaftlicher Theorie die effizientesten Weihnachtsgeschenke. Nur wer die Vorlieben, sprich, die Präferenzen der beschenkten Person zu 100 Prozent kennt, sollte zu einem Sachgeschenk greifen – andernfalls drohen nicht nur lange Gesichter, sondern auch volkswirtschaftliche Wohlfahrtsverluste. Denn diese ergeben sich, wenn die beschenkte Person dem erhaltenen Geschenk einen geringeren Wert beimisst, als die schenkende Person dafür bezahlt hat. Beispiel gefällig? Sie selbst wären bereit für die Mütze, die die Großtante unterm Weihnachtsbaum platziert hat, 15 Euro zu zahlen, im Geschäft wurden dafür aber 20 Euro aufgerufen? Eine klare Fehlallokation monetärer Mittel und ein Wohlfahrtsverlust von 5 Euro.
Durchschnittlicher Geldbetrag, der pro Geschenkkategorie verloren geht
Doch auch Gutscheine und Geldgeschenke stellen – aus volkswirtschaftlicher Sicht - nicht das perfekte Geschenk dar. Einer Umfrage von Ebay Kleinanzeigen aus dem Januar 2023 zufolge waren rund 18 Prozent der Befragten der Meinung, dass Gutscheine und Geld zu Weihnachten 2022 keine zufriedenstellenden Geschenke waren. Mit Kleidung oder Kosmetik waren 16 bzw. 18 Prozent unzufrieden, Lebensmittel unter dem Weihnachtsbaum hielten 29 Prozent der Befragten für kein zufriedenstellendes Geschenk. Unser Chart of the Week zeigt die Kombination der Umfragen von EY und Ebay Kleinanzeigen. Wir haben dabei berechnet, was der volkswirtschaftliche Wohlfahrtsverlust pro Geschenkkategorie ist.
Würden Sie sowohl Gutscheine, Lebensmittel, Kleidung, Kosmetik und Einrichtungsgegenstände unter den Weihnachtsbaum legen und pro Kategorie so viel ausgeben wie der durchschnittliche Deutsche – in Summe 118 Euro – ergäbe sich rechnerisch ein „verschenkter“ Betrag von rund 23 Euro. Beinahe ein Fünftel des Gesamtbudgets wäre fehlallokiert, würde keinen Nutzen stiften und wäre somit ineffizient verwendet.
Warum also überhaupt etwas verpacken und unter den Baum legen, wenn dabei ohnehin nur „Geld verschenkt“ wird? „Keine Geschenke“ scheinen aus volkswirtschaftlicher Sicht die effizientesten Präsente zu sein. Aber wir wissen ja spätestens seitdem die meisten Notenbanken den Anstieg der Inflation verpasst haben, dass volkswirtschaftliche Modelle nicht immer richtig liegen. Manchmal sollte man sich auch auf sein Bauchgefühl verlassen. Spätestens zu Weihnachten sollte das volkswirtschaftliche Gewissen mal weggesperrt werden. Auch wir konzentrieren uns auf die gemeinsame Zeit mit den Liebsten und lassen die Volkswirtschaftslehre einfach mal die Volkswirtschaftslehre sein. Jedenfalls für drei Wochen. Frohe Weihnachten und einen guten Start in das neue Jahr wünscht das gesamte Economic Research Team der ING Deutschland.