Zoff ums Elektroauto: Wer zahlt die Zeche?

Chart of the Week

4 min Lesedauer 14.06.2024

Es wird ungemütlicher an der Freihandelsfront. Nachdem die USA bereits letzten Monat angekündigt haben, ab dem 1. August 2024 Zölle in Höhe von 100 % auf importierte chinesische Elektroautos (EVs) zu erheben, folgte die Türkei mit zusätzlichen 40 %-igen Zöllen, bzw. mindestens 7.000 Dollar pro Fahrzeug, auf Verbrenner und Hybride aus China, die am 7. Juli in Kraft treten. Diese Woche wurde nun die Entscheidung der EU bekanntgegeben, ab dem 4. Juli zusätzliche vorläufige Zölle von bis zu 38,1% auf Elektroautos zu erheben, sollte es zu keiner vorherigen Einigung zwischen der EU und China kommen.

Wie hoch fallen die Zölle seitens der EU auf in China produzierte Elektroautos aus?

Die möglichen zusätzlichen Zölle, die on top auf den schon bestehenden Einfuhrzoll in Höhe von 10 % kämen, werden dabei ab dem 4. Juli erst einmal in Form einer durch jedes Mitgliedsland festzulegende Sicherheitsleistung gesichert, die jedoch erst erhoben werden, wenn endgültige Zölle eingeführt werden sollten. Endgültige Maßnahmen müssen spätestens bis zum 2. November festgelegt werden, die dann für einen Zeitraum von 5 Jahren in Kraft treten. Die Höhe der Zölle fällt dabei ganz unterschiedlich aus und richtet sich danach, wie gut die Hersteller im Rahmen der Antisubventionierungsuntersuchung kooperiert haben und wie hoch die aus China erhaltenen Subventionen waren:

So werden für die drei in die Stichprobe einbezogenen chinesischen Hersteller folgende unternehmensspezifische Zölle gelten: 

  • BYD: 17,4 %
  • Geely: 20 % und
  • SAIC: 38,1 %

Grundsätzlich werden alle Elektroautohersteller, die nicht kooperieren, mit einem Zoll von 38,1 % belegt, während für alle anderen Hersteller zusätzliche Zölle in Höhe von 21 % gelten. Unternehmen können jedoch einen Antrag stellen, dass auch für sie ein unternehmensspezifischer und kein allgemeiner Zoll gelten soll.

Warum gibt es überhaupt Anlass zur Sorge?

Anders als bei anderen Untersuchungen ist die Initiative dieses Mal nicht von Seiten der Industrie angestoßen worden, sondern von der EU-Kommission selbst. Denn laut ihren Schätzungen ist der Anteil chinesischer Elektroautos am EU-Markt von 1 % im Jahr 2019 bereits auf 8 % gestiegen und könnte sich bis 2025 noch einmal verdoppeln. Chinesische Modelle sind gut 20 % günstiger als europäische Pendants, unseren Berechnungen aus dem Januar zufolge lagen Modelle chinesischer Hersteller ab Grundpreis im Schnitt 24 % unter den Preisen für Elektromodelle deutscher Hersteller. Dass es der EU vor allem aber um den Schutz des heimischen Produktionsstandorts geht, wird insofern deutlich, als dass Importe westlicher Marken wie BMW, Dacia oder Renault, die in China produzieren und in die EU exportieren, ebenfalls einem zusätzlichen Importzoll in Höhe von 21 % unterliegen.

14,3 % aller neuzugelassenen EVs in Deutschland kommen aus Werkshallen in China

Denn zumindest in Deutschland kamen gerade einmal 5,7 % aller aus China importierten neuzugelassenen EVs zwischen Januar und Mai aus Werken chinesischer Hersteller, wie unser Chart der Woche zeigt, während 8,6 % aus Werkshallen westlicher Hersteller stammten (BMW, Polestar, Citroen, Smart, Dacia, Tesla, Lotus) – auch wenn hier zugegebenermaßen nicht selten chinesische Mutterkonzerne ihre Finger im Spiel haben. Der Anteil in China produzierter EVs an den gesamten neuzugelassenen Elektroautos zwischen Januar und Mai betrug somit 14,3 %. Von den höheren Zöllen könnte somit vor allem der Produktionsstandort China insgesamt getroffen werden.

Anteil an allen Neuzulassungen mit Elektroantrieb der in China gefertigten und in Deutschland neuzugelassenen Elektroautos zwischen Januar und Mai 2024

Der Chart zeigt den Anteil an allen Neuzulassungen mit Elektroantrieb der in China gefertigten und in Deutschland neuzugelassenen Elektroautos zwischen Januar und Mai 2024
Quelle: KBA, ING

Drei Wochen bleiben China und der EU noch, ihre Handelsstreitigkeiten vor Inkrafttreten der vorläufigen Zölle beizulegen. Von Seiten der USA und der Türkei gibt es diesen Spielraum nicht. Interesse an einer Eskalation dürfte die EU derweil nicht haben. Denn China zieht bereits Vergeltungsmaßnahmen in Betracht, nicht nur auf aus der EU exportierte Autos nach China, bevorzugt solche mit starker Motorisierung, sondern beispielsweise auch auf französischen Cognac. Kollateralschaden im Handelsstreit? Der Wettlauf gegen die Zeit zur Verhinderung ebendieser hat auf jeden Fall begonnen.  

 

Autor: Inga Fechner