Wohnimmobilien werden erschwinglicher – leistbar sind sie deswegen noch lange nicht

Chart of the Week

4 min Lesedauer 21.06.2024

Trotz hoher Kaufpreise oder gestiegener Finanzierungskosten ist der Traum vom Eigenheim in Deutschland noch lange nicht ausgeträumt. Die Erfüllung dieses Traums scheint zuletzt sogar wieder etwas erschwinglicher geworden zu sein. „Erschwinglicher“ bedeutet an dieser Stelle allerdings vielmehr, dass der Tiefpunkt der vergangenen Dekade überwunden zu sein scheint. Das weitere Verbesserungspotenzial ist limitiert.

Mehr als zwei Drittel der 18- bis 29-jährigen hegen den Wunsch, langfristig in Wohneigentum zu leben – das ergab eine Umfrage von SPIEGEL START aus dem Februar 2023. Die gleiche Umfrage zeigte allerdings auch, dass mehr als die Hälfte der Befragten nicht davon ausgeht, in den nächsten 10 Jahren über die nötigen finanziellen Mittel zu verfügen um diesen Traum Realität werden zu lassen. Kein Wunder, wie der Blick auf die Immobilienmarktentwicklung der vergangenen Jahre zeigt. Zwar sind die Preise für Wohnimmobilien im vergangenen Jahr um rund 8 Prozent gefallen, doch trotz dieses Preisrückgangs lagen sie noch immer um mehr als 60 Prozent höher als noch vor 10 Jahren. Die Nominallöhne stiegen in diesem Zeitraum zwar auch ordentlich, mit 30 Prozent allerdings gerade einmal halb so stark wie die Immobilienpreise.

Doch wie erschwinglich der Kauf von Wohneigentum ist, bestimmt nicht allein die Höhe der Immobilienpreise oder die Einkommensentwicklung. Unser ING-Erschwinglichkeitsindex zeigt, dass der Erwerb von Wohneigentum trotz des rasanten Anstiegs der Kaufpreise der vergangenen Dekade bis zum Anfang des Jahres 2022 erschwinglicher war als es noch zu Beginn des Jahres 2011 der Fall gewesen ist. Grund dafür war insbesondere die ultra-lockere Geldpolitik der EZB. Lagen die Zinsen für Wohnimmobilienkredite im April 2011, dem Monat, in dem unser Index startet, noch bei durchschnittlich mehr als 4 Prozent, erreichten sie zum Ende des Jahres 2020 mit durchschnittlich 1,2 Prozent ein historisch niedriges Niveau. Aus dem stetig sinkendem Zinsniveau resultierten niedrigere Finanzierungskosten, die den rasanten Wohnimmobilienpreisanstieg zu einem gewissen Grad kompensierten.

ING-Erschwinglichkeitsindex

(Q2 2011 = 100)

Der Chart zeigt den ING-Erschwinglichkeitsindex
Quelle: Refinitiv; Dr. Klein; ING-Berechnungen

Allerdings eben nur zu einem gewissen Grad. Und mit der Erwartung an das Ende der ultra-lockeren Geldpolitik der EZB stiegen Kapitalmarkt- und Kreditzinsen, und damit die Finanzierungskosten, an. Die Wohnimmobilienpreise waren bis zu diesem Zeitpunkt ebenfalls weiter gestiegen, sodass der Traum vom Eigenheim für viele in unleistbare Ferne rückte.

In den ersten drei Monaten dieses Jahres deutete sich an der Leistbarkeitsfront allerdings Besserung an: Zum ersten Mal seit dem 2. Halbjahr 2020 zeigt unser ING-Erschwinglichkeitsindex positive Tendenzen. Niedrigere Kreditzinsen aufgrund der Markterwartung zu Jahresbeginn, die EZB würde die Leitzinsen in diesem Jahr um bis zu 150 Basispunkte senken, gefallene Wohnimmobilienpreisen sowie starkes Lohnwachstum haben die Verbesserung der Erschwinglichkeit von Wohneigentum begünstigt. Allerdings liegt die Erschwinglichkeit trotz der leichten Verbesserung immer noch deutlich unterhalb des Niveaus von vor 10 Jahren.  

Mit Blick auf die Zukunft dürfte sich daran zunächst auch nur wenig ändern – zwar setzte sich die Korrektur am Wohnimmobilienmarkt mit einem Preisrückgang von 1,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal im 1. Quartal 2024 fort, die Zeiten rückläufiger Immobilienpreise dürften von nun an aber passé sein. Hinzukommt, dass die Kreditzinsen für den Rest des Jahres um ihr aktuelles Niveau schwanken dürften. Großen Spielraum nach unten gibt es nicht mehr. Die Finanzierungskosten werden sich also kaum verändern. Und auch wenn davon auszugehen ist, dass die Löhne in diesem Jahr so stark steigen werden wie in der gesamten vergangenen Dekade nicht, was die Erschwinglichkeit positiv beeinflussen wird, wird dieses Lohnwachstum nicht ausreichen um die höheren Finanzierungskosten vollständig zu kompensieren.

Die Erschwinglichkeit des Kaufs von Wohneigentum dürfte sich in den vor uns liegenden Monaten also zwar leicht verbessern, wird aber weiterhin aber auf niedrigem Niveau bleiben. Dementsprechend dürfte auch die Wiederbelebung des deutschen Immobilienmarkts insgesamt nur eine graduelle sein. Eine Verbesserung von extrem niedrigen Niveaus ist eben noch keine echte Erholung.

Autor: Franziska Biehl