Elektroautos, Schweinefleisch, Cognac: Anti-Dumping-Untersuchungen auf dem Prüfstand

Chart of the Week

4 min Lesedauer 28.06.2024

Die Asienreise von Robert Habeck, deutscher Vizekanzler und Wirtschaftsminister, mit Stopps in Südkorea und China hat sich als überaus erfolgreich erwiesen – zumindest hatten China und die EU-Kommission noch während seines Aufenthalts die Aufnahme von konkreten Handelsgesprächen im Zuge der sich verschärfenden Handelsrhetorik zwischen beiden Ländern aufgenommen.

Ob jetzt Herrn Habecks Gespräche mit Chinas Handelsminister Wang Wentao tatsächlich den entscheidenden Ausschlag gaben, ist nicht überliefert. Auf jeden Fall ist es ein willkommener erster kleiner Schritt in einem Umfeld, in dem die großen Blöcke versuchen, ihre Volkswirtschaften zunehmend abzuschirmen. Denn nachdem die EU auf Grundlage einer Anti-Dumping-Untersuchung in die Lieferkette chinesischer Elektroautos vorläufige zusätzliche Zölle von bis zu 38,1 % auf importierte E-Autos ab Juli erheben möchte, fackelte die chinesische Regierung nicht lange und leitete Mitte Juni eine Anti-Dumping-Untersuchung gegen Ausfuhren von Schweinefleisch und dessen Nebenprodukten aus der EU ein.

Was ist Dumping und was hat es mit Anti-Dumping-Untersuchungen auf sich?

Ein Hauch von Vergeltung in der Luft – generell sind Anti-Dumping-Untersuchungen jedoch nicht ungewöhnlich und folgen einem standardisierten Verfahren der Welthandelsorganisation (WTO). Dumping bezieht sich in der Regel auf die Praxis, eine ausgeführte Ware zu einem niedrigeren Preis anzubieten als auf dem Heimatmarkt. Kann der Preis auf dem Heimatmarkt nicht zur Feststellung von Dumping herangezogen werden, dann kann entweder der vom Ausführer in einem anderen Land verlangte Preis oder eine Berechnung auf der Grundlage der Produktionskosten des Ausführers, sonstiger Kosten und der normalen Gewinnspanne zur Feststellung des Vorliegens von Dumping genutzt werden.

Nach den WTO-Regeln können Antidumpingverfahren durch die Anwendung von Antidumpingmaßnahmen sanktioniert werden, wobei das Einfuhrland einen eindeutigen Kausalzusammenhang zwischen den gedumpten Einfuhren und dem Schaden für den inländischen Wirtschaftszweig nachweisen muss. Alle interessierten Parteien können Beweise für oder gegen die vorgebrachten Argumente vorlegen. Fällt die Anti-Dumping-Untersuchung positiv aus, treten die Maßnahmen für fünf Jahre in Kraft und treten nach dem Zeitpunkt der Einführung automatisch außer Kraft, es sei denn, es kann nachgewiesen werden, dass das Dumping wahrscheinlich anhalten oder erneut auftreten wird.

Anzahl der seit 1995 eingeleiteten Anti-Dumping-Untersuchungen

Anzahl der seit 1995 eingeleiteten Anti-Dumping-Untersuchungen
Quelle: WTO, ING

Die Zahl an Anti-Dumping-Untersuchungen steigt wieder

Im Jahr 2023 wurden 186 neue Anti-Dumping-Untersuchungen nach den WTO-Regeln eingeleitet, wie unser Chart der Woche zeigt. Das sind 97 mehr als im Jahr 2022, aber immer noch weniger als der historische Durchschnitt von 233. Die meisten Anti-Dumping-Untersuchungen richteten sich 2023 gegen China – insgesamt 61, was einem Anteil von 33 % entspricht.

Die EU leitete sieben Untersuchungen gegen China ein, die sich u. a. auf chinesische Ausfuhren von Biodiesel, Erythrit, Titandioxid und Mobile Access Equipment bezogen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 86 Antidumpingmaßnahmen angewandt, mit 47 wieder der Großteil gegen China. Nach einer Anti-Dumping-Untersuchung in bestimmte Kunststoffprodukte aus Polyethylenterephthalat (PET) aus China im März 2023 führte die EU beispielsweise im November 2023 vorübergehende Zölle zwischen 6,6 % und 24,2 % ein. Im April 2024 wurden diese in feste Zölle umgewandelt, gültig für die nächsten fünf Jahre.

China hat 2024 zwei Untersuchungen gegen die EU eingeleitet

In China wiederum läuft neben der Anti-Dumping-Untersuchung gegen Ausfuhren von Schweinefleisch und dessen Nebenprodukten seit Januar eine weitere Untersuchung gegen Branntweineinfuhren aus der EU. Spanien, die Niederlande und Dänemark wären dabei besonders von höheren Zöllen auf Schweinefleisch, Frankreich von höheren Zöllen auf Branntwein betroffen, stammten doch 99,3 % des Einfuhrwerts aller chinesischen Einfuhren von Spirituosen, die durch Destillation von Traubenwein oder Traubentrester gewonnen werden (d.h. Cognac, Grappa, Brandy oder Armagnac), von unserem Nachbarn.

Die Handelsrheotrik hat sich in den letzten Jahren verschärft 

Dass sich die Handelsrhetorik in den letzten Jahren durchaus verschärft hat, ist unbestritten. Industriepolitische Maßnahmen, die sich auch handelshemmend auswirken, nehmen wieder zu. Auch die Anzahl an Anti-Dumping-Untersuchungen hat sich gegenüber 2022 fast verdoppelt, bleibt aber unter ihrem historischen Durchschnitt. Die Aufnahme von Handelsgesprächen ist daher ein willkommenes Zeichen. Angesichts unterschiedlichster Interessen der EU-Mitglieder wird es jedoch nicht das Einfachste sein, eine gemeinsame Basis zu finden (so stößt ein einheitlicher Zoll von 15 % auf Autos derzeit noch nicht auf die große Gegenliebe). Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die Handelsgespräche Früchte tragen oder ob der Streit der nach wie vor vorsichtigen Erholung der EU-Wirtschaft einen weiteren Dämpfer versetzt.

 

Unsere englisch-sprachige Analyse gibt's hier: EU-China trade talks to shape tariff impact

Autor: Inga Fechner