Geldpolitik allein belebt die Investitionsaktivität nicht wieder
Chart of the Week
Nachdem die Europäische Zentralbank die Zinsen in nie da gewesenem Tempo erhöht hatte, geht es nun immer schneller wieder abwärts mit dem Leitzins. Um der Investitionsaktivität neues Leben einzuhauchen, sind geldpolitische Lockerungen allerdings nicht genug. Zwar deuten die Ergebnisse des jüngsten Bank Lending Survey eine Erholung in der Kreditnachfrage von Unternehmen an, doch der Blick unter die Oberfläche zeigt, dass Kreditnachfrage und Investitionslaune absolut nicht dasselbe sind.
Nur fünf Wochen nach der Septembersitzung hat die EZB es in der vergangenen Woche wieder getan – sie senkte die Zinssätze um 25 Basispunkte und brachte den Einlagenzins somit von 3,5 auf 3,25 Prozent. Dank des historischen Zinserhöhungszyklus der Jahre 2022 und 2023 liegt der Leitzins der EZB damit allerdings nach wie vor im restriktiven Bereich. Und somit auf einem Niveau, das tendenziell für ein Abkühlen der Konsum- und Kreditnachfrage sorgt. Über den Kreditkanal zeigten sich die Auswirkungen des restriktiven Zinsniveaus besonders schnell und deutlich am Immobilienmarkt – doch auch die Kreditnachfrage von Unternehmen hatte mit dem Anziehen der Zinsen kontinuierlich nachgegeben. Das zeigten unter anderem die Ergebnisse des Bank Lending Survey der EZB. Ab dem vierten Quartal 2022 und bis zum ersten Quartal 2024 berichtete in jedem Quartal die Mehrheit der deutschen Banken von einer rückläufigen Kreditnachfrage von Unternehmen.
Unser Chart of the Week zeigt, dass sich das Blatt im Frühjahr dieses Jahres gedreht hat. Im Vergleich zum ersten Quartal 2024 war die Kreditnachfrage von Unternehmen bei einer Mehrheit der deutschen Banken im zweiten Quartal gestiegen. Im dritten Quartal des Jahres setzte sich der Aufwärtstrend fort, insbesondere getrieben durch das günstigere Zinsumfeld. Ob Unternehmen von kleiner bis mittlerer Größe oder große Unternehmen, ob kurz- oder langfristige Finanzierungen – durch die Bank weg zeugen die Ergebnisse des Bank Lending Survey des dritten Quartals von gestiegenem Finanzierungsbedarf in der Realwirtschaft.
Kreditnachfrage von Unternehmen
(Nettoprozentsatz)
Gibt es nun also für die düsteren wirtschaftlichen Aussichten endlich einen Silberstreif am Horizont in Form einer Wiederbelebung der Investitionslaune der Unternehmen? Nun, auf der einen Seite spricht die gestiegene Nachfrage nach langfristigen Unternehmenskrediten dafür, dass Gelder langfristig in den Unternehmen gebunden werden – ein positiver Indikator für die Investitionen von morgen. In den ersten beiden Quartalen dieses Jahres resultierte das zwar noch nicht in einer gesteigerten Investitionsaktivität. Allerdings übersetzt sich eine gestiegene Kreditnachfrage auch nicht über Nacht in tatsächliches Kreditwachstum und schließlich in mehr Investitionen.
Der erste Schritt in die richtige Richtung scheint allerdings schon einmal getan – im zweiten Quartal dieses Jahres lag das Neugeschäftsvolumen von Unternehmenskrediten in Deutschland um rund 4 Prozent höher als im Vorjahr. In den ersten zwei Monaten des dritten Quartals setzte sich das Wachstum fort, mit einem Neugeschäftsvolumen, welches um 0,2 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum lag, allerdings nur minimal. Hier zeigt sich, dass die Kreditnachfrage, und vor allem die Investitionsaktivität, nicht allein durch Geldpolitik bestimmt wird.
Seit Jahresbeginn haben sich die wirtschaftlichen Aussichten wieder deutlich abgekühlt. Die Ergebnisse des Bank Lending Survey deuten darauf hin, dass das gegen ein baldiges Anziehen der Investitionsaktivität sprechen könnte. War der Bedarf nach Anlageinvestitionen im zweiten Quartal noch der Hauptgrund für die gesteigerte Nachfrage nach Unternehmenskrediten, so berichtete jetzt nur noch eine knappe Mehrheit der Banken davon, dass dies einen positiven Effekt auf die Kreditnachfrage hatte. Mit den verschlechterten wirtschaftlichen Aussichten, nicht nur denen vor der eigenen Haustür, sondern global, sowie dem hohen Niveau an (geo-)politischer Unsicherheit ist das attraktive Umfeld zum Investieren offensichtlich wieder genauso schnell gegangen, wie es gekommen war.
Zwar zeigen die Ergebnisse des Bank Lending Survey, dass die Zinssenkungen der EZB einen deutlichen Einfluss auf die Kreditvergabe haben, und die niedrigeren Finanzierungskosten werden sicherlich dazu führen, dass das aktuell noch leblose Investitionsumfeld wieder erste Herztöne verzeichnet. Der Richtungswechsel in der Geldpolitik allein wird allerdings nicht in einer Wunderheilung der Investitionen resultieren. Um die Investitionsaktivität wiederzubeleben, braucht es nicht nur einen geldpolitischen Kurswechsel, sondern auch Investitionsanreize für Sektoren oder Standorte. Aus Frankfurt kann man an dieser Stelle wenig tun, hier ist Berlin gefragt.