Handelskonflikte im Anmarsch, doch die EU hat ein Ass im Ärmel

Chart of the Week

5 min Lesedauer 29.11.2024

Mit der bevorstehenden Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus stehen die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA auf dem Prüfstand. Denn dem designierten Präsidenten ist das Handelsdefizit mit der EU schon lange ein Dorn im Auge. Die USA sind der wichtigste Exportpartner der EU, fast ein Fünftel aller außereuropäischen Exporte gehen nach Übersee. Ebenso stört sich Trump an den höheren Zöllen, die seitens der EU auf US-Produkte erhoben werden. Denn obwohl die tatsächlich erhobenen durchschnittlichen Zölle zwischen der EU und den USA auf sehr ähnlichem Niveau liegen (3,95% vs. 3,5%), gibt es signifikante Unterschiede in bestimmten Sektoren wie bei Autos (10% vs. 2,5%), im Landwirtschaftssektor oder bei Lebensmitteln (8% vs. 4,7%).

Doch nicht alle politischen Entscheidungsträger der EU müssen gleichermaßen vor neuen Zöllen zittern. Denn sowohl zwischen Mitgliedsländern als auch innerhalb von Sektoren bestehen erhebliche Unterschiede in der Handelsabhängigkeit von den USA. Länder mit einem starken Chemie- und Pharmasektor, wie Irland und Belgien, oder mit einem starken Maschinen- und Transportsektor, wie die Slowakei und Deutschland, würden unter pauschalen Zöllen am stärksten leiden. So sind die Gesamtausfuhren Irlands und Belgiens in die USA mit 10,1% bzw. 5,6% des BIP besonders hoch, verglichen mit dem Gesamtausfuhrvolumen der EU von 2,9% des BIP. Deutschlands Gesamtausfuhren gemessen als Anteil des BIP liegen bei 3,8%. Auf der Importseite stehen die Niederlande und Belgien mit ihren großen Atlantikhäfen, über die hauptsächlich Energie und chemische Erzeugnisse aus den USA bezogen werden, besonders im Fokus. Ihre Gesamteinfuhren belaufen sich auf 7,1% bzw. 6,1% ihres BIP, verglichen mit den gesamten EU-Importen, die bei 2% des BIP liegen.

Trotz dieser Unterschiede in der Exponiertheit der Mitgliedsstaaten hat die EU ein gemeinsames Ass im Ärmel, wie unser Chart der Woche zeigt. Denn die EU hat strategische Vorteile beim Handel mit den USA. Gewisse Güter, die die EU in die USA exportiert, sind aufgrund eines begrenzten Angebots, der hohen Abhängigkeit von den Einfuhrländern oder einer spezialisierten Produktion mit strengen Qualitätsanforderungen nicht einfach so zu ersetzen.

Strategische Abhängigkeiten zwischen der EU und den USA

Strategische Abhängigkeiten zwischen der EU und den USA
Quelle: Lefebvre und Wibaux (2024), Daten für 2022

Die EU bezieht acht solcher Produkte aus den USA, sechs davon sind Chemikalien. So ist die EU beispielsweise stark auf Beryllium (HS 811212) angewiesen, ein Metall, das von der Europäischen Kommission als kritischer Rohstoff eingestuft wird. Beryllium ist für Anwendungen in den Bereichen Verteidigung, Transport und Energie unerlässlich. Die EU bezieht 60% ihres Berylliums aus den USA, die den Großteil der weltweiten Ressourcen in einer Lagerstätte in den Bergen von Utah halten, was eine Substitution schwierig macht.

Doch die USA sind bei 32 strategisch wichtigen Importprodukten, vor allem in der Chemiebranche mit 20 und in der Pharmabranche mit 8 strategisch wichtigen Importgütern, auf die EU angewiesen. Dieses Abhängigkeitsverhältnis begünstigt die EU und könnte ihr bei den Verhandlungen mit der neuen Trump-Regierung ein gewisses Druckmittel an die Hand geben.

Zudem dürfte die EU auf Trumps protektionistische Handelspolitik besser vorbereitet sein als zu seiner ersten Amtszeit. Einerseits könnten Käufe von US-Produkten, wie LNG (Flüssigerdgas) oder Rüstungsgüter, erhöht werden. Dann könnte die EU US-Produkte mit Vergeltungszöllen belegen. Die Kommission soll bereits eine Liste von Waren erstellt haben, die mit zusätzlichen Zöllen belegt werden könnten. Und die EU verfügt mit dem Anti-Coercion Instrument (ACI) eine „neue Waffe zum Schutz des Handels“. Im Falle des Scheiterns von Verhandlungen kann sie damit in wenigen Wochen Gegenmaßnahmen gegen ein Nicht-EU-Land ergreifen, zu denen Handels-, Investitions- oder Finanzierungsbeschränkungen gehören.

Nichtsdestotrotz wird es angesichts der unterschiedlichen Interessen der Mitgliedsstaaten nicht ganz einfach sein zu einem Konsens zu kommen, wie die kürzliche Abstimmung über zusätzliche Zölle auf in China hergestellte Elektroautos deutlich gezeigt hat. Und unabhängig von jeglichen tatsächlich erhobenen zusätzlichen Zöllen drückt die Unsicherheit rund um stärkeren Protektionismus, sowie die angestrebten Deregulierungs- und Steuererleichterungsmaßnahmen in den USA jetzt schon auf die Stimmung in der Wirtschaft. Die schon länger erodierende Wettbewerbsfähigkeit der EU wird dadurch weiter unter Druck gesetzt.

 

Auch in Folge 282 unseres Podcasts Carsten's Corner haben wir über Trumps Zollpolitik gesprochen: Neues von der Zollfront – Wer ist betroffen, wer wird zur Kasse gebeten und wer hält noch einen Trump(f) in der Hand?

Und die vollständige Studie zu den Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA gibt's hier auf Englisch: Why the EU still holds a Trump card in the face of rising trade tensions

Autor: Inga Fechner und Ruben Dewitte