Wenigstens ein Rekord ist in Reichweite
Chart of the Week
Die Volkswirtschaft pendelt irgendwo zwischen rechnerischem Miniwachstum und technischer Rezession. Die Industrieproduktion liegt 5 Prozent niedriger als noch vor einem Jahr und 10 Prozent niedriger als vor der Corona-Pandemie. Und Stimmungsindikatoren vom Konsumklima bis zum Einkaufsmanagerindex zeichnen ein düsteres Bild von der näheren Zukunft. Da nimmt man jede gute Nachricht mit Kusshand – und eine solche hatte das Statistische Bundesamt in dieser Woche für uns. Denn zumindest eine Branche liegt 2024 auf Rekordkurs: das Beherbergungsgewerbe.
Von Januar bis einschließlich Oktober 2024 wurden in Deutschland 433,1 Millionen Übernachtungen verzeichnet – ein Anstieg um 1,6 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum und 0,2 Prozent mehr als von Januar bis Oktober im bisherigen Rekordjahr 2019. Und das, obwohl ausländische Gäste noch nicht ganz wieder in Vor-Pandemie-Stärke anreisen: 73,2 Millionen Übernachtungen entfielen auf Reisende mit Wohnsitz im Ausland, 2019 waren es noch über 4 Millionen mehr gewesen. Doch inländische Reisende konnten diese Differenz mehr als wettmachen.
Also immerhin ein kleiner Lichtblick im Jammertal derzeitiger Wirtschaftsnachrichten. Zumal man auch nicht befürchten muss, dass die noch ausstehenden Daten für die letzten beiden Monate des Jahres die Bilanz völlig verhageln könnten – denn anders als beispielsweise der Einzelhandel ist die Hotellerie nicht von einem starken Weihnachtsgeschäft abhängig. Ganz im Gegenteil gehören November und Dezember regelmäßig zu den schwächsten Monaten des Jahres, wie auch unserem Chart der Woche zu entnehmen ist.
Übernachtungen in deutschen Beherbergungsbetrieben je Monat, 2015-2024
In Mio.
Auch die generelle Saisonalität des Beherbergungsgewerbes lässt sich an unserem Chart gut ablesen. Spitzenreiter in Sachen Reisen sind natürlich die Sommermonate – hier wird der Tourismus zumindest in bestimmten Regionen zum bedeutenden Wirtschaftsfaktor mit großen Auswirkungen auf beispielsweise die saisonale Erwerbstätigkeit. Um die Höchstwerte streiten sich jedes Jahr Juli und August; Zünglein an der Waage dürfte hier die Terminansetzung der Sommerferien sein. In der Hauptsaison kommen aber nicht nur mehr Gäste – sie bleiben auch länger. Dennoch liegt auch in den Sommermonaten die Dauer eines Aufenthalts im Durchschnitt nur bei rund drei Übernachtungen. Geschäftsreisen und der gelegentliche Wochenendtrip dürften der Grund dafür sein, dass Reisende im Durchschnitt nur wenige Tage und nicht Wochen bleiben.
Ob sich Kurztrips und längere Urlaube am Ende dieses Jahres zu einem neuen Rekordwert aufsummieren, bleibt abzuwarten. Sollte es unter dem Strich nicht ganz ausreichen, könnte das tatsächlich am etwas schwächeren Zuspruch aus dem Ausland liegen, denn der Dezember ist traditionell der Monat mit dem höchsten Anteil ausländischer Gäste an den Übernachtungen. Wie unser Chart ebenfalls zeigt, erholt sich dieser Wert aber noch vom naturgemäßen Einbruch während der Pandemie – auch wenn also das Beherbergungsgewerbe 2024 doch keinen neuen Rekord aufstellen sollte, stehen die Chancen im nächsten Jahr wieder gut.