EU und Schweiz: Positives Signal für die Zukunft des Handels

Chart of the Week

5 min Lesedauer 10.01.2025

Ende 2024 konnte die EU gleich zwei bedeutende Erfolge auf der internationalen Bühne feiern. Nach 25 Jahren Verhandlungen wurde ein Abkommen mit den Mercosur-Staaten abgeschlossen. Zudem einigte sich die EU nach zehn Jahren auf ein neues Abkommen mit der Schweiz, für das seit März 2024 über 200 Verhandlungsrunden stattfanden. Zumindest ein zartes positive Zeichen in einer Welt, die bald (noch stärker) von Zöllen und Zerwürfnissen geprägt sein könnte.

Die Details der Abkommen zwischen der Schweiz und der EU…

So haben sich die Schweiz und die EU auf eine Aktualisierung von fünf Abkommen in den Bereichen Luftverkehr, Landverkehr, Freizügigkeit, Konformitätsbewertung und Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen geeinigt. Zusätzlich wurden sechs neue Abkommen in den Bereichen Lebensmittelsicherheit, Gesundheit, Strommarkt, Finanzen, Wissenschaft und Weltraum geschlossen. Die Abkommen sollen den Handel noch einmal deutlich erleichtern, die Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen auf beiden Seiten gleichstellen und einen lückenlosen Zugang der Schweiz zum EU-Binnenmarkt ermöglichen.

…und die Regelung finanzieller Beiträge

Die Schweiz wird ab Inkrafttreten des Abkommens bis 2036 jährlich 375 Mio. Euro und für einen Übergangszeitraum ab Ende 2024 bis 2029 zusätzlich jährlich 140 Mio. Euro zahlen, um den Zusammenhalt innerhalb der EU zu fördern und wirtschaftliche sowie soziale Ungleichheiten zu verringern. Diese Mittel sollen auch Mitgliedstaaten unterstützen, die besonders von Migrationsbewegungen betroffen sind. Obwohl die 375 Mio. Euro ab dem Inkrafttreten mehr als eine Verdopplung gegenüber den bisherigen finanziellen Beiträgen darstellen, beläuft sich der Beitrag gemessen am EU-Budget damit insgesamt auf lediglich rund 0,2%. Im Rahmen des neuen Abkommens sollen diese finanziellen Verpflichtungen jedoch verbindlich gemacht werden. Bisher leistete die Schweiz direkte Beiträge an EU-Mitglieder auf freiwilliger Basis.

Doch es gibt Hürden auf dem Weg zur Umsetzung

Doch es wäre naiv zu glauben, dass diese Vereinbarungen sofort in Kraft treten. Aufgrund komplizierter und langwieriger Ratifizierungsprozesse kann es immer noch zu bösen Überraschungen und letztlich zum Scheitern der Abkommen kommen – wie 2021 beim institutionellen Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU. Damals beschloss der Schweizer Bundesrat, das Abkommen aufgrund von substanziellen Differenzen nicht zu unterzeichnen. Und auch dieses Mal gibt es vor allem auf Schweizer Seite Gegenwind, unter anderem beim Stromabkommen, da einige Schweizer Kantone fürchten, ihre Wasserkraftwerke künftig europaweit ausschreiben zu müssen, oder auch bei der Personenfreizügigkeit. In der Schweiz wird über das Abkommen neben der benötigten Zustimmung durch das Parlament auch noch per Referendum abgestimmt, was nicht vor 2027 oder 2028 der Fall sein könnte. Um das Vertragswerk verdaulicher zu machen, wird dies voraussichtlich in bis zu vier Abstimmungen passieren.  

Warum sich internationale Abkommen lohnen

Dennoch zeigen diese Abkommen, dass in einer Welt, in der Rufe nach Protektionismus lauter werden, die Grundfesten des internationalen Handels weiterhin Bestand haben. Denn dass sich internationale Abkommen lohnen, zeigt ein Blick auf unseren Chart der Woche, der das Handelsvolumen zwischen der EU und der Schweiz im Zeitverlauf darstellt. Durch die Abschaffung von Handelsbeschränkungen wie Zöllen oder die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (Bsp.: CE-Kennzeichnung, durch welche der Hersteller nachweist, dass ein Produkt den Anforderungen der EU-Richtlinien entspricht) wurde der Marktzugang für Produkte erleichtert. Dies führte zu einem Anstieg des Handelsvolumens und einer intensiveren wirtschaftlichen Verflechtung.

Warenverkehr zwischen der EU und der Schweiz seit 1960

(in Mrd. Euro, nominal; starker Anstieg seit 2021 auf Inflation zurückzuführen)

Warenverkehr zwischen der EU und der Schweiz seit 1960 (in Mrd. Euro)
Quelle: LSEG Datastream, IMF, ING; Währungskonvertierung von Dollar in Euro via LSEG

Historische Meilensteine der Handelsbeziehungen

Das erste Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EU wurde bereits 1972 mit der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) geschlossen und trat 1973 in Kraft. Die ersten bilateralen Abkommen „Die Bilateralen I“ wurden 1999 geschlossen und traten 2002 in Kraft. 2004 folgten die „Bilateralen Abkommen II“. Diese Abkommen garantieren Personenfreizügigkeit, die gegenseitige Anerkennung von Produktnormen und die Öffnung von Märkten für das öffentliche Beschaffungswesen, den Luftverkehr sowie den Straßen- und Schienenverkehr von Personen und Gütern. Vor allem durch das Inkrafttreten der ersten bilateralen Abkommen im Jahr 2002 hat der Handel zwischen den beiden Nationen deutlich an Fahrt aufgenommen. Der Warenaustausch konzentriert sich dabei vor allem auf Chemikalien/Pharmaka und medizinische Produkte, Maschinen und Geräte, optische und fotografische Instrumente/Uhren sowie Perlen und Edelmetalle.

Aktuelle Handelsbeziehungen und Herausforderungen

Das zuletzt schwächere Handelsvolumen ist dabei auch auf die deutsche Wirtschaftsschwäche zurückzuführen. Denn „wenn Deutschland Grippe hat, hustet die Schweiz“. Darüber hinaus sind die USA für die Schweiz aufgrund von Pharmaexporten seit 2021 zur wichtigsten Exportdestination geworden. Insgesamt bleibt die EU für die Schweiz jedoch der mit Abstand wichtigste Handelspartner, gefolgt von den USA und China. Für die EU ist die Schweiz wiederum der viertwichtigste Handelspartner nach China, den USA und Großbritannien. Beim Handel mit Dienstleistungen kommt die Schweiz sogar auf Rang drei. So machte der Handelswert im Jahr 2022 11% der EU-Dienstleistungsexporte aus, während 7% aus der Schweiz in die EU flossen.

Signal für die Zukunft des Handels

Das Festhalten und der Versuch diese neuen Abkommen dieses Jahr über die Ziellinie zu bringen, markieren einen wichtigen Schritt in der internationalen Zusammenarbeit und zeigen, dass trotz globaler Herausforderungen und protektionistischer Tendenzen, der Wille zur Kooperation und zum freien Handel weiterhin stark ist. Die EU und die Schweiz setzen damit ein wichtiges Zeichen für die Zukunft des internationalen Handels und die Bedeutung enger Partnerschaften - sofern das Abkommen ratifiziert wird und einem Schweizer Referendum standhält.

Autor: Inga Fechner