Vom „Tag der Befreiung“ zum Tag der Zollerhebung
Chart of the Week
Präsident Trump hat erneut die Zollkeule geschwungen und diesmal kräftig zugeschlagen. So soll ab dem 5. April ein genereller Zollsatz in Höhe von 10% auf alle in die USA importierten Waren gelten. Zusätzlich gelten ab dem 9. April individuelle Zölle für die Länder, mit denen die USA jeweils das größte Handelsdefizit hat. Diese liegen zwischen 11% und 50%. Während die EU mit einem Zollsatz von 20% konfrontiert ist, trifft es China mit 34% noch härter. Vor allem, da die 34% zusätzlich zu bereits bestehenden allgemeinen US-Zöllen (MFN-Zölle), den bereits bestehenden 20% Fentanyl-Zöllen sowie den bereits bestehenden „Section 301“-Zöllen erhoben werden. Die Zölle auf chinesische Waren werden daher eher bei 60% liegen.
Ausnahmen von den neuen Zöllen
Wenn man dem Ganzen etwas Positives abgewinnen möchte, dann ist es die Tatsache, dass einige Waren (noch) nicht den reziproken Zöllen unterliegen, nämlich:
- Artikel, die unter 50 USC 1702(b) fallen, wie z.B. Kleider-, Lebensmittel- oder Medizinspenden oder persönliche Kommunikation
- Artikel aus Stahl/Aluminium, die jedoch bereits einem Zollsatz von 25% unterliegen
- Autos/leichte Nutzfahrzeuge, d.h. Trucks, die seit dem 3. April bereits einem 25%-Zoll unterliegen sowie Autoteile ab spätestens dem 3. Mai
- Kupfer, Pharmazeutika, Halbleiter und Holzprodukte
- alle Produkte, die künftig Zöllen nach „Section 232“ unterliegen könnten
- Goldbarren
- Energie und andere Mineralien, die in den USA nicht verfügbar sind
Sonderregelungen für Kanada und Mexiko
Zudem wurden Kanada und Mexiko von den reziproken Zöllen ausgenommen, wobei die zuvor verhängten Zölle in Kraft bleiben:
- Auf USMCA-konforme Waren gilt weiterhin ein Zollsatz von 0%
- Auf nicht USMCA-konforme Waren gilt ein Zollsatz von 25% (der auf einen reziproken Zollsatz von 12 % gesenkt werden könnte, wenn die bestehenden IEEPA-Anordnungen zu Fentanyl/Migration aufgehoben werden)
- Auf nicht USMCA-konforme Energie und das Mineral Kali wird ein Zoll von 10% erhoben
Im Falle von Vergeltungsmaßnahmen kann der Präsident die Zölle indes nach eigenem Ermessen erhöhen, während Zölle gesenkt werden können, wenn die Handelspartner erhebliche Anstrengungen unternehmen, um unfaire Handelspraktiken zu beenden und sich an die Wirtschafts- und Sicherheitspolitik der USA anzupassen. Mit anderen Worten: alle Optionen liegen auf dem Tisch.
Zölle als Schutzinstrument
Grundsätzlich sind Zölle ein probates Mittel, um bestimmte Industriezweige oder Arbeitsplätze zu schützen. Alle Staaten erheben Zölle in für sie sensiblen Bereichen, etwa im Agrarsektor oder aber auch zum Schutz der Automobilindustrie – und ja, diese Zölle sind oft höher als in den USA. Daher ist die Forderung der US-Regierung nach gleichen Zöllen nicht per se falsch.
Die berechtigte Kritik an der „Trumpschen-Logik“ und der Berechnung reziproker Zölle
Die Art und Weise, wie diese Ungleichgewichte angegangen werden, entbehrt jedoch jeglicher Logik bzw. folgt der undurchschaubaren „Trump-Logik“ und kann zu Recht heftig kritisiert werden. Wozu sonst dienen internationale Handelsregeln, die von der Welthandelsorganisation (WTO) festgelegt werden, oder Handelsabkommen wie USMCA, das Trump in seiner ersten Amtszeit selbst ausgehandelt hat?
Und auch die Berechnung der Gegenzölle entbehrt einer reziproken Grundlage. So dient der Anteil der US-Importe aus einem bestimmten Land am Handelsdefizit (bilaterale Handelsbilanz aus Exporten und Importen) mit diesem Land als Hauptgrundlage für die Berechnung der Zölle, nebst Begründungen in Form von Währungsmanipulationen, Zulassungsstandards oder die Mehrwertsteuer – auch wenn diese nicht explizit in den Berechnungen enthalten zu sein scheinen. Dass es sich bei den neuen Zollsätzen dabei um einen „ermäßigten Satz“ handelt, wie unser Chart der Woche zeigt, soll die Handelspartner auch noch dankbar stimmen. Tatsächlich handelt es sich dabei aber lediglich um Willkür, die es den Handelspartnern so schwer machen wird, eine adäquate Lösung gegen die Zölle zu finden.
Liste der reziproken Zölle der USA (%)
Der Markt als Vermittler?
Aber vielleicht übernimmt ja der Markt die Rolle des Vermittlers. Denn die Turbulenzen an den Finanzmärkten, die Verunsicherung von Konsumenten und Unternehmen in Kombination mit zu erwartenden Preissteigerungen könnten den „short term pain“ am Ende so unerträglich machen, dass auch ein Präsident Trump einlenken muss. Die USA sind zurück in den 1930-Jahren. Und nein, damals war nicht alles besser.