Wasserstand in Kaub: Neue Lieferkettenprobleme voraus

Chart of the Week

3 min Lesedauer 29.07.2022

Neben der Sorge vor einem Gasstopp, höheren Zinsen, Fachkräftemangel und einer nachlassenden Nachfrage gesellt sich ein weiterer Faktor zur langen Liste hinzu, die der deutschen Wirtschaft Sorgen bereiten: die Hitzewelle und die damit verbundenen niedrigen Wasserstände auf deutschen Binnengewässern. Erinnerungen an 2018 werden wach und der Wasserstand in Kaub rückt wieder als Konjunkturindikator ins Blickfeld.

Wasserständen an schiffsrelevanten Pegeln, allen voran dem Wasserstand in Kaub, wird spätestens seit 2018 überregionale Aufmerksamkeit geschenkt. Kaub, eine kleine Stadt am Rhein, zeichnet sich nicht nur durch schöne Wanderwege aus, sondern markiert auch den wichtigsten Wasserpegel für die Rheinschifffahrt. Und der hatte sich bereits 2018 negativ im Wirtschaftswachstum bemerkbar gemacht. Auch jetzt hat der Wasserpegel wieder einen Tiefststand erreicht, wie unser Chart der Woche zeigt. Tatsächlich liegt der Wasserstand aktuell sogar unter dem Niveau von 2018. Für die Industrie sind das keine guten Nachrichten.

Wasserstand am Pegel in Kaub im Jahr 2018 und 2022, in cm

Der Chart zeigt den Wasserstand in Kaub im Jahr 2018 und 2022
Quelle: Contargo, Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV), bereitgestellt durch die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG)

Denn der Pegelstand dient als Indikator für die Frachtschifffahrt – je nach Stand können Schiffe unterschiedlich stark beladen werden. Bei niedrigem Wasserstand, so wie es derzeit der Fall ist, können Schiffe zwar noch fahren, aber es kann nur eine geringere Menge als üblich zugeladen werden. Heißt, die Kosten und die Dauer für den Transport steigen, der sogenannte Kleinwasserzuschlag greift.  

Dabei ist der Rhein, bzw. die Binnenschifffahrt generell, eine wichtige Transportstraße für den Güterverkehr und dient zudem noch der Kühlung von Kraftwerken. 2021 wurden über 5 Prozent aller Güter per Binnenschifffahrt transportiert. Das mag auf den ersten Blick nicht viel erscheinen, der Großteil der transportieren Güter sind jedoch Vorleistungsgüter und Rohstoffe, die zur Weiterverarbeitung in anderen Industrien benötigt werden und bevorzugt per Schiff transportiert werden, darunter Massengüter wie Kohle und Stahl, Gefahrgut und Schwergut.

2018 hat vor allem die chemische Industrie aufgrund des Niedrigwassers einen deutlichen Dämpfer hinnehmen müssen, da wichtige Rohstoffe nicht in der erforderlichen Menge geliefert werden konnten, wodurch die Produktion behindert wurde. Insgesamt nahm die Güterbeförderung der Binnenschifffahrt laut Statistischem Bundesamt aufgrund der Niedrigwasserstände 2018 um 11,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr ab. Mit Blick auf die Energiekrise und den stärkeren Fokus auf Kohle, welche die Kohlekraftwerke zur Energieherstellung brauchen und die eigentlich bevorzugt per Schiff transportiert werden soll, sind das keine rosigen Aussichten für den Herbst und Winter.

Und ein Aufatmen ist derzeit nicht in Sicht. Die 14-Tage-Vorhersage für Kaub sieht mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit ein Unterschreiten des Wasserstands von 78 cm vor. Auch mit Blick auf den Chart der Woche scheint ein Wiederansteigen der Wasserpegel noch in weiter Ferne, sollte sich die Wetterentwicklung von 2018 wiederholen. Zu Energiekrise, Fachkräftemangel und Rezessionsängsten gesellt jetzt also auch noch das Niedrigwasser hinzu. Vielleicht sollte man die sonnigen Monate jetzt noch mal richtig genießen, bevor es im Herbst so richtig rund geht.  

Autor: Inga Fechner