Neue Lieferkettenprobleme durch den Krieg in der Ukraine

Chart of the Week

Carsten Brzeskis Blog 3 min Lesedauer 11.03.2022

Der Krieg in der Ukraine stellt die globalen Lieferketten erneut auf die Probe. Bereits vor der Eskalation des Konflikts hatten sich die Spannungen in den Lieferketten nur geringfügig verbessert, die Pünktlichkeit der Schiffsankunft in den Häfen sank im Januar auf ein neues Allzeittief von 30,9 Prozent. Im Zuge des Krieges dürften sich die Lieferkettenprobleme noch verschärfen. Und das, obwohl Russland und Ukraine weder große Handelspartner der EU sind, noch einen großen Anteil am globalen Welthandel ausmachen. Doch als wichtige Rohstoffexporteure trifft der Krieg eine empfindliche Stelle für gewisse Sektoren und Länder.

Der Anteil der Ukraine an den weltweiten Warenimporten und -exporten beträgt lediglich jeweils 0,3 Prozent, während sich Russlands Exportanteil auf 1,9% und sein Importanteil auf 1,4 Prozent beläuft. Doch beide Länder sind wichtige Rohstoffexporteure und haben enge Verbindungen zu den baltischen Staaten und anderen osteuropäischen Ländern, wie Litauen, Bulgarien, Finnland oder Lettland. Im Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2020 waren in diesen vier Ländern fast 40 Prozent des Handels mit Russland verbunden. Nicht nur über den direkten Güterhandel, sondern auch indirekt über die Wertschöpfung als Partner in Lieferketten.

Die Achillesferse der EU gegenüber Russland ist zwar die Energieabhängigkeit. Aber die Ukraine und Russland exportieren auch große Mengen an Stahl, Palladium, Platin oder Nickel.

Ausgewählte Importe aus Russland basierend auf den meist gehandelten Waren zwischen der EU und Russland (%-Anteil der Extra-EU-Einfuhren)

Der Chart zeigt den Anteil der meistgehandelten Importe der EU aus Russland
Quelle: Quelle: Eurostat, EC. Produktnummer in Klammern. *Energiegüter sind ausgenommen. Nickelerze und -konzentrate gehören wertmäßig nicht zu den am meisten gehandelten Gütern, sind aber ein Indikator für die Abhängigkeit von Russland in anderen Bereichen als der Energie

Unser Chart of the Week zeigt, dass beispielsweise 81 Prozent der Nickelerze und -konzentrate der Extra-EU-Importe der EU aus Russland stammen, sowie 30,1 Prozent der Nickelimporte, 48,5 Prozent der Halbfertigprodukte aus Eisen oder Stahl und mehr als 20 Prozent der Kupferimporte sowie von Metallen der Platingruppe. Der Anteil Russlands an den deutschen Extra-EU-Importen für halbfertige Erzeugnisse aus Eisen oder Stahl beläuft sich auf 74 Prozent und Kupfer auf 46,1 Prozent. Auch wenn die absoluten Handelssummen nicht immer hoch sind, gibt es in manchen Bereichen doch deutliche Abhängigkeiten. Und auch der Automobilsektor ist bereits mit den Folgen des Krieges konfrontiert. Beispielsweise mussten BMW und VW in diesem Zusammenhang bereits die Produktion an europäischen Standorten unterbrechen, da, unter anderem, Lieferungen von Komponenten aus der Ukraine wie Kabelbäume fehlten. Auch die Halbleiterkrise dürfte sich aufgrund der unklaren Rohstoffversorgung verschärfen, je nachdem, wie lange der Krieg andauert.

Für die globalen Lieferketten bedeutet der Krieg, dass sich die sowieso schon angespannte Lage verschärfen wird. Lieferverzögerungen werden zunehmen, da verstärkte Kontrollen aufgrund der Sanktionen vorgenommen werden, Routen müssen neu geplant werden und Knappheit und Verzögerungen bedeuten weiteren Preisdruck für Produzenten und Verbraucher. Der Welthandel wird sich stärker abschwächen als bisher erwartet. Sanktionen, freiwilliger Verzicht auf den Handel mit Russland sowie Bemühungen zur Reduzierung von Öl- und Gasimporten werden den Welthandel in diesem Jahr belasten. Das Handelswachstum könnte sogar nur knapp über dem 0%-Bereich schweben, wenn der Krieg andauert. In jedem Fall werden die weltweiten Handelsströme erheblich umgestaltet werden.

 

 

Autor: Inga Fechner