Das Unerwartete erwarten

Das Beste hoffen, doch auf das Schlimmste vorbereitet sein

3 min Lesedauer 10.01.2020
Pärchen mittleren Alters liest Zeitung im Bett mit Hund

Das neue Jahr fängt ja gut an. Der neu entfachte Konflikt zwischen den USA und dem Iran hat das Potenzial, große Schockwellen auszulösen. Wieder mal ein Beweis, dass die schönsten Prognosen für Konjunktur und Finanzmärkte ganz schnell über den Haufen geworfen werden können. Beweis, dass man zu Anfang des Jahres doch noch mal über den Tellerrand hinausschauen sollte und sich das Unerwartete und teilweise Irrwitzige doch näher anschauen sollte. Neben dem potentiellen Krisenherd im Mittleren Osten, sind hier fünf weitere Ereignisse, die aktuell sehr unwahrscheinlich sind (aber halt nicht ganz und gar).

 

1. Die EZB erhöht spätestens Anfang 2021 die Zinsen.

Die negativen Folgen der unkonventionellen Geldpolitik für Sparer, Versicherer und Banken nehmen zu und innerhalb der EZB machen sich immer mehr Stimmen breit, die Schritte aus dem September 2019 zurückzudrehen. Hinzu kommt, dass die strategische Überprüfung der eigenen Geldpolitik ergibt, dass die Inflationszielstellung symmetrisch sein sollte. Die geldpolitischen Falken stimmen dieser Veränderung nur unter der Bedingung zu, dass die EZB das Anleihenkaufprogramm zurückfährt und langsam aus der Negativzinspolitik aussteigt. Die EZB kommuniziert erfolgreich, dass der Ausstieg aus den unkonventionellen Maßnahmen nicht der Einstieg in einer Reihe von Zinserhöhungen ist.

 

2. Italien bringt die Euro-Krise zurück.

Neuwahlen im Laufe des Jahres bringen Lega wieder zurück in die Regierung Italiens, die sofort auf Konfrontationskurs geht mit Brüssel. Gleichzeitig drückt der neue italienische EU-Kommissar Gentiloni so stark auf eine Auflockerung des Stabilitätspaktes, dass zaghafte Bemühungen der deutschen Regierung, doch mehr zu investieren, dem Reflex von Sparpolitik und Verteidigung der Haushaltsregeln zum Opfer fallen. Spekulationen über einen möglichen Austritt Italiens aus der Eurozone nehmen wieder zu.

 

3. Der nächste US-Präsident ist ein Demokrat.

Entgegen den aktuellen Erwartungen gewinnt der Kandidat der Demokraten die US-Wahl im November. Mit einem Programm, dass sich vor allem auf soziale Ungleichheit und den Klimawandel richtet.

 

4. Schuldenfalle China.

Trotz neuer Seidenstraße und der Strategie 2025 stagniert die chinesische Konjunktur und wird immer mehr gefangen in starker Verschuldung, demographischem Wandel und Handelskrieg. Als Folge dessen kehrt China dem Welthandel den Rücken zu und fährt eine eigene protektionistische Politik.

 

5. Brexit 2.0.

Im Kielsog des Brexit-Chaos überlegt auch Ungarn, der EU den Rücken zuzukehren. Weitere Eingriffe in die Meinungsfreiheit im eigenen Land erhöhen den Konflikt mit der EU. Die unterschiedlichen Auffassungen zwischen Ungarn und der EU werden unüberbrückbar.

 

Nur zur Deutlichkeit: Unser Basisszenario eines langsamen und schwachen Konjunkturaufschwungs mit weiterhin lockerer Geldpolitik hat sich nicht verändert. Die hier beschriebenen Ereignisse sind sogenannte Risikoereignisse; schwarze Schwäne. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie eintreten, aber halt nicht komplett unwahrscheinlich. Und wie heißt es doch immer: das Beste hoffen, doch auf das Schlimmste vorbereitet sein. In diesem Sinne wünsche ich einen guten Start in das neue Jahr.