Dining in the rain
Diskussion um die Wiedereröffnung dank der Impfkampagne und die Rückkehr von Freiheit und Optimismus
David Bowie und Mick Jagger tanzten auf der Straße, Fred Astaire sang im Regen, aber wer hätte jemals gedacht, dass Essen im Regen das Symbol von Freiheit und Optimismus werden würde. Ist es aber.
In Großbritannien genoss man die neugewonnene Freiheit nach erfolgreicher Impfkampagne mit einem Bier oder einem Essen auf der verregneten Terrasse des Lieblingspubs. Auch in den Niederlanden darf man tagsüber wieder eine Tasse Kaffee vor dem Lieblingscafe trinken. Europa schöpft wieder Hoffnung. Und zurecht. Die Impfkampagne hat endlich in allen Ländern an Schwung gewonnen. Was vor ein paar Wochen noch wie eine Illusion aussah, wird Realität: schon im Juni könnten 50% der Europäer mindestens einmal geimpft sein.
Der Impf- und Wiedereröffnungsoptimismus ist auch an den Konjunkturindikatoren abzulesen. Die Industrie läuft auf Hochtouren und kämpft schon wieder mit Kapazitäten- und Lieferproblemen und selbst der Dienstleistungssektor schaut wieder optimistischer in die Zukunft. Nachdem das Bundesverfassungsgericht auch noch die letzten Hürden für den Europäischen Aufbaufonds aus dem Weg geräumt hat, können wir uns auf eine starke Aufholbewegung der Europäischen Konjunktur ab dem Sommer vorbereiten.
Für die US-Wirtschaft ist dieser Optimismus nichts Neues. Hier brummt es schon länger. Schneller und effektiver beim Impfen, ein großes Konjunkturprogramm gepaart mit Plänen für eine längere Investitionsinitiative und die Wirtschaft wird schon vor dem Sommer wieder das Vorkrisenniveau erreicht haben. In Deutschland sollten wir das auch vor Jahresende schaffen, die gesamte Eurozone wird dafür allerdings noch etwas länger brauchen.
Natürlich ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. In den USA und der Eurozone bleibt weiterhin die Gefahr einer Insolvenzwelle sobald die Konjunkturstützen abgebaut werden. Auch ein Anstieg der Arbeitslosigkeit ist weiterhin möglich. Von der in Indien aufgetretenen nächsten Variante des Virus ganz zu schweigen. Vorerst stehen alle Zeichen allerdings auf Optimismus.
Für die Notenbank wird es zunehmend schwieriger, steigende Kapitalmarktzinsen zu bekämpfen. Jedenfalls solange steigende Kapitalmarktzinsen Ausdruck verbesserter Konjunkturaussichten sind. Mit Herdenimmunität und Konjunkturoptimismus lässt sich ultralockere Geldpolitik immer schwieriger verkaufen. Daher werden die Stimmen bald lauter werden, die einen sanften Einstieg in den Ausstieg fordern. Dieser Einstieg wird dann zum Ende des Jahres aller Wahrscheinlichkeit auch kommen und mit ihm weiter steigende Kapitalmarktzinsen. Weder die Fed noch die EZB werden schnell auf das geldpolitische Bremspedal treten, aber schon das sanfte Wegnehmen vom Gas könnte Auswirkungen auf die Kapitalmärkte haben. Auch wenn die Leitzinsen nicht vor Ende 2022 (in den USA) oder Ende 2023 (Eurozone) erhöht werden sollten. Die Zinsen bleiben also vorerst niedrig, halt nur nicht ganz so niedrig wie noch vor ein paar Monaten.
Die Tasse Kaffee unter einem Regenschirm auf der Terrasse des Lieblingscafe können und sollten wir alle erst einmal ungetrübt genießen.