Was hält KI für die deutsche Wirtschaft und den Arbeitsmarkt bereit?

ING-Studie zu den Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf Produktivität und Arbeitsmarkt

3 min Lesedauer 31.05.2024

Spätestens seit dem Durchbruch von Chat-GPT Ende 2022 hat sich ein echter Goldrausch rund um das Thema Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt. Die Technologie weckt sowohl Ängste, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, als auch Hoffnungen, insbesondere im Hinblick auf die erwarteten Produktivitätssteigerungen. Die Angst vor „Disruption“ ist hoch. Doch wir erwarten weder massive Arbeitsplatzverluste noch einen massiven Produktivitätsboom.

Laut unserer Verbraucherumfrage zum Thema Künstliche Intelligenz glauben 40 % der Deutschen, dass KI zu Arbeitsplatzverlusten führen wird, aber nur 2 % machen sich Sorgen um ihren eigenen Arbeitsplatz. Zurecht? Auf der Grundlage einer Berechnungsmethode des Internationalen Währungsfonds (IWF) schätzen wir, dass 62 % der deutschen Arbeitnehmer Arbeitsplätze haben, die stark von KI betroffen sind; was 26 Millionen Arbeitsplätzen entspricht. Davon sind gut 11 Millionen Arbeitsplätze mit hoher Exposition und hoher Komplementarität, die wahrscheinlich von KI-Anwendungen profitieren werden. Gut 15 Millionen Arbeitsplätze haben eine hohe Exposition und geringe Komplementarität und damit ein hohes Risiko, dass die KI die Art und Weise der Arbeit grundlegend verändern wird. Vor dem Hintergrund eines Arbeitskräftemangels und einer alternden Bevölkerung werden diese Trends unseres Erachtens jedoch nicht zu einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit führen, sondern werden eher helfen, den Fachkräftemangel zu lindern.

Optimistischer sind die Befragten zu den Auswirkungen der KI auf das Wirtschaftswachstum: rund 40 % erwarten positive Auswirkungen auf das Wachstum in Deutschland in den nächsten fünf Jahren. Trotz des Aufstiegs der KI und anderer technologischer Entwicklungen sowie Studien, die einen positiven Einfluss der KI auf die Produktivität bestimmter Arbeitnehmer in bestimmten Unternehmen belegen, war in den letzten Jahren in Deutschland wenig von solch einem Anstieg zu sehen. Im Gegenteil, das Produktivitätswachstum blieb schwach. Das bedeutet nicht, dass KI keinen positiven Produktivitätsschub auf makroökonomischer Ebene auslösen kann. Aber es bedeutet, dass wir noch ein paar Jahre warten müssen, bevor sich ein möglicher Produktivitätsschub wirklich bemerkbar macht. Und unser Optimismus hält sich in Grenzen. Denn wir schätzen, dass die jährlichen Produktivitätsgewinne allein durch die KI auf globaler Ebene maximal 1 Prozentpunkt erreichen könnten, was der Wirkung der Erfindung des PCs und des Internets entspricht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Produktivitätswachstum tatsächlich um fast 1 Prozentpunkt pro Jahr zusätzlich steigen wird. Während die künstliche Intelligenz die Quelle von Produktivitätsgewinnen sein könnte, werden andere Faktoren, insbesondere die Bevölkerungsalterung und sinkende Produktivitätsgewinne aus früheren Innovationen, den gegenteiligen Effekt haben und das Produktivitätswachstum dämpfen. Insgesamt prognostizieren wir für die kommenden Jahre einen Anstieg des jährlichen Produktivitätswachstums und damit des Potenzialwachstums der Wirtschaft in der Größenordnung von 0,1 bis 0,5 Prozentpunkten. Deutschland dürfte, wie das übrige Europa, am unteren Ende dieser Spanne liegen, während die Vereinigten Staaten größere Produktivitätszuwächse verzeichnen werden. Der Unterschied lässt sich durch die Größe des Sektors, der KI produziert, die bereits getätigten Investitionen in die Technologie, aber auch durch die strengeren Vorschriften in Europa erklären.

Hier geht's zur vollständigen Studie: Was hält KI für die deutsche Wirtschaft und den Arbeitsmarkt bereit?

Autor: Inga Fechner & Carsten Brzeski