Armutsgefährdung in Deutschland

Wenn Mangel an der Tagesordnung ist

Finanzwissen 4 min Lesedauer 14.03.2024
Armutsgefährdung

Kein Geld für monatliche Rechnungen, fürs Kino oder fürs Essengehen im Restaurant: Viele Menschen in Deutschland klagen darüber, dass ihr Einkommen von vorne bis hinten nicht reicht. Nicht wenige sind sogar von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes war das im Jahr 2022 bei rund 17,3 Millionen Menschen hierzulande der Fall. Das entsprach etwa einem Fünftel (20,9%) der Bevölkerung; der Anteil ist gegenüber 2021 in etwa gleichgeblieben.

Welche Faktoren bei der Armutsgefährdung eine Rolle spielen

Ein Mensch in der EU gilt laut dem Statistischen Bundesamt als von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, wenn mindestens einer dieser drei Faktoren zutrifft:

  • Das Einkommen liegt unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze.
  • Der Haushalt ist von erheblichen materiellen und sozialen Entbehrungen betroffen.
  • Die betreffende Person lebt in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung.

Bei einigen der Betroffenen treffe nur ein Faktor zu, andere erfüllten gleich alle Voraussetzungen, um als armutsgefährdet zu gelten, so das Statistische Bundesamt.

Bei welchem Einkommen ein Mensch als armutsgefährdet gilt

Als armutsgefährdet gilt, wenn eine Person über weniger als 60% des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung (Bundesmedian) verfügt. 2022 lag dieser Wert für Alleinlebende in Deutschland bei 1.250 Euro netto im Monat.

Konkret waren 2022 in Deutschland rund 12,2 Millionen Menschen (14,7%) armutsgefährdet. 2021 waren es noch 16%.

Gut zu wissen: Mit einem interaktiven Tool des Instituts der Deutschen Wirtschaft können Sie mit wenigen Klicks herausfinden, wo Sie mit Ihrem Einkommen in der Einkommensverteilung stehen und wie hoch der Anteil der Bevölkerung ist, der ärmer oder reicher ist als Sie.

Erhebliche materielle und soziale Entbehrung trifft viele

Aus den Daten des Statistischen Bundesamtes geht ebenfalls hervor, dass 2022 insgesamt 5,1 Millionen Menschen (6,1%) von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen waren (2021: 4,3%). Das heißt nach Angaben der Statistiker*innen, dass die Lebensbedingungen der Betroffenen aufgrund von Geldmangel deutlich eingeschränkt waren. Sie seien beispielsweise nicht in der Lage, unerwartete Ausgaben zu bestreiten, eine Woche in den Urlaub zu fahren oder abgewohnte Möbel zu ersetzen.

Wenn in Familien nicht ausreichend Geld da ist, hinterlässt das nicht zuletzt auch bei Kindern Spuren. Einer Umfrage der Robert Bosch Stiftung zufolge war die teils prekäre finanzielle Lage der Familien in den Schulen 2023 präsenter als im Jahr zuvor.

Einige Ergebnisse der Umfrage:

  • 37% der Lehrkräfte nahmen fehlendes oder unzureichendes Schulmaterial wie Hefte oder Bücher wahr.
  • 30% gaben an, dass Mädchen und Jungen häufiger als früher ohne Frühstück in die Schule kamen.
  • 24% der Befragten erklärten, dass Krankmeldungen vor mehrtägigen Klassenfahrten zunehmen.
  • 16% machten häufiger als bislang die Feststellung, dass ihre Schüler*innen das Essensgeld gar nicht oder nicht pünktlich bezahlen können.

Für das sogenannte Deutsche Schulbarometer hatte die Robert Bosch Stiftung im Juni 2023 insgesamt 1.032 Lehrkräfte an allgemein- und berufsbildenden Schulen in Deutschland vom Meinungsforschungsinstitut Forsa befragen lassen.

Armut in der Kindheit setzt sich fort

Armutsgefährdung hat bittere Folgen. „Arme Kinder werden zu oft zu armen Erwachsenen“, sagt Dagmar Wolf von der Robert Bosch Stiftung. Fehlendes Geld im Elternhaus führe dazu, dass junge Menschen nicht am sozialen und kulturellen Leben teilhaben könnten. „Das hat auch Auswirkungen auf die psychosoziale Gesundheit“, warnt Wolf.

Ihr Appell an Pädagog*innen: „Armutssensibel“ und sich bewusst sein, dass es Familien gibt, deren finanzielle Mittel begrenzt sind. Sie müssten nicht nur die Auswirkungen von Armut auf Kinder und Jugendliche erkennen, sondern auch Stigmatisierungen entgegenwirken. Weil Kindern Armut nicht immer anzusehen sei, sollten Lehrkräfte die Quote der Schüler*innen aus Sozialtransfer-Familien kennen. „Sie müssen wissen, wo es zu Hause Schwierigkeiten gibt, um sensibel vorgehen zu können“, so Wolf.

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