Bedingungsloses Grundeinkommen

Was dafür spricht – und was dagegen

Aktuelles 5 min Lesedauer 12.06.2023
Bedingungsloses Grundeinkommen

Jeden Monat Geld vom Staat bekommen ohne etwas dafür zu tun? Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) wird auch in Deutschland immer wieder diskutiert. Die Grundidee: Jede Bürgerin und jeder Bürger erhält regelmäßige Geldzahlungen – und das bedingungslos, ganz ohne Gegenleistung. Das heißt: „Ich kann selbst bestimmen, was ich damit machen möchte. Es ist egal, ob ich erwerbstätig bin oder nicht“, erklärt Jürgen Schupp vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Wie viel Geld gibt es?

Wie genau das in der Praxis aussehen kann, beschreiben unterschiedliche Modelle. Dabei geht es beispielsweise um die Höhe der Zahlung: Viele Modelle orientieren sich hier am sozioökonomischen Existenzminimum. Laut Gutachten des Bundesfinanzministeriums benötigt man 1.208 Euro pro Monat für Erwachsene und 684 Euro für Kinder. Doch es gibt auch Modelle, die von einer geringeren Zahlung ausgehen, so Schupp.

Auch bei der Finanzierung gibt es verschiedene Ansätze: Diskutiert wird, die Einkommenssteuer oder Mehrwertsteuer zu erhöhen. Andere Modelle wollen das Vorhaben laut Schupp etwa mit einer Geldtransaktionssteuer oder einer höheren CO2-Steuer finanzieren.

Eine Idee, die polarisiert

Die Idee, bedingungslos ein Gehalt vom Staat zu erhalten, ist umstritten. Aktuelle Umfragen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und der Universität Konstanz zeigen: 53% haben sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgesprochen, 36% waren dagegen und 11% antworteten „ich weiß nicht“. Doch was sind die Argumente?

Das sind die Vorteile:

  • Weniger Existenzängste: „Gerade in Krisenzeiten bringt ein bedingungsloses Grundeinkommen eine größere Widerstandsfähigkeit mit sich, beispielsweise bei einem Arbeitsplatzverlust“, sagt Schupp. Denn wer seinen Job verliert, hat durch einen fest zugesicherten Betrag weniger Angst vor Armut.
  • Weniger Bürokratie: Der Kern des bedingungslosen Grundeinkommens ist laut Schupp, dass man es nicht beantragen muss. Behördengänge und das Ausfüllen von Formularen würden somit wegfallen.
  • Bessere Arbeitsbedingungen: Mehr Deutsche könnten in Teilzeit arbeiten. Das heißt: Mehr Zeit für Familie und Freizeitaktivitäten. Außerdem sehen Befürwortende den Vorteil, dass man bei der Jobsuche wählerischer sein kann. „Wenn Menschen nicht aus purer wirtschaftlicher Existenznot gezwungen sind, jeden angebotenen Job unter allen Bedingungen anzunehmen, können sie Nein sagen, wenn eine Arbeitsstelle an unwürdige Bedingungen gebunden ist”, schreibt der Volkswirt Thomas Straubhaar von der Universität Hamburg in seinem Buch „Radikal gerecht“.
  • Mehr Vertrauen in den Staat: „Das Vertrauen in die Demokratie würde vermutlich wachsen, wenn der Staat allen Bürgern zunächst ein regelmäßiges Grundeinkommen auszahlt anstelle des derzeitigen Steuerfreibetrags“, fügt Schupp hinzu.

Was spricht gegen ein Einkommen vom Staat?

  • Weniger Anreiz zum Arbeiten: Werden Menschen faul, wenn sie jeden Monat Geld bekommen, ohne dafür etwas tun zu müssen? Das ist eine der größten Befürchtungen rund um die Idee des BGE. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, warnt davor, dass die Wirtschaftsleistung in Deutschland deutlich sinken könnte. Denn: In Umfragen gaben laut Fratzscher manche Menschen an, im Falle eines BGE gar nicht mehr arbeiten oder zumindest ihre Arbeitsstunden reduzieren zu wollen. „Nach einer groben, statistischen Überschlagsrechnung würde dies bedeuten, dass 17 Prozent der Beschäftigung und gearbeiteten Stunden wegfallen“, schreibt er.
  • Soziale Ungerechtigkeit: Das BGE würde an alle gehen – auch an die Reichsten. Das halten viele Menschen für ungerecht. „Es ist wichtig, das Geld gezielt an die zu geben, die in einer Notlage sind und es so an eine Bedingung zu knüpfen”, schreibt etwa Dominik Enste, Verhaltensökonom und Wirtschaftsethiker beim Institut der Deutschen Wirtschaft.
  • Teuer: Einer der größten Streitpunkte ist die Finanzierung. Das BGE ist eine teure Angelegenheit und es besteht die Sorge, dass Steuern wesentlich steigen müssten, um das Konzept finanziell tragen zu können. Das Bundesfinanzministerium hat ausgerechnet, dass ein Finanzierungsbedarf von knapp 900 Milliarden Euro besteht.
  • Wegfall anderer Sozialleistungen: Gerade bei ärmeren Menschen könnte das BGE geringer ausfallen als bisherige Sozialleistungen. Zu dem Schluss kommt eine OECD-Studie aus dem Jahr 2017.

Erfahrungen aus dem Ausland

In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Projekte zum bedingungslosen Grundeinkommen. Die wohl bekannteste Studie kommt aus Finnland: Ab 2017 erhielten 2.000 zufällig ausgewählte Arbeitslose zwei Jahre lang monatlich 560 Euro. Das Ergebnis: Das Grundeinkommen führte zu mehr Zufriedenheit und weniger Stress. Allerdings half es den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht dabei, wieder Arbeit zu finden.

Studie macht den Praxistest

Auch in Deutschland beschäftigt man sich mit dem BGE. Bereits seit 2014 verlost die Initiative „Mein Grundeinkommen“ ein Jahr lang monatlich 1.000 Euro – spendenfinanziert. Knapp 1.500 Menschen haben so bereits ein Grundeinkommen erhalten. Doch was macht das mit ihnen? Um dieser Fragen nachzugehen, startete der Verein zusammen mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Köln und des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern eine größer angelegte Studie: Drei Jahre lang erhalten 122 zufällig ausgewählte Teilnehmerinnen und Teilnehmer monatlich 1.200 Euro. Das Pilotprojekt läuft noch bis 2024.

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