De-Influencing: Was ist das?
Der Gegentrend zum Influencing
In den Sozialen Medien werden Follower in der Regel zum Kauf von Produkten animiert. Seit neustem boomt ein gegensätzlicher Trend auf TikTok: Statt einer Produktempfehlung raten Influencer*innen dazu, etwas nicht zu kaufen. Der Hashtag #deinfluencing hat auf TikTok bis Mitte November 2023 über 990 Millionen Aufrufe gehabt. Was genau dahinter steckt und wo die Tücken hinter dem Trend liegen.
Vom Influencing zum De-Influencing
Die Bezeichnung „Influencer-Werbung“ existiert seit 2007, das Phänomen breitete sich schnell in den Sozialen Medien aus. Influencer*innen halten Produkte in die Kamera, testen sie und sprechen eine Empfehlung aus, damit andere den Lippenstift, die Mascara, das Kleidungsstück, das Küchengerät oder das Tech-Gadget kaufen. Das Marktvolumen durch Influencer-Werbung werde, so hat es eine Statista-Studie ermittelt, im Jahr 2027 rund 46 Milliarden Euro betragen.
Was sich zu einer eigenen Berufsbezeichnung gemausert hat, steht mittlerweile in der Kritik: Nicht selten fehlt es an Transparenz der Influencer*innen, die zu einem Produkt raten, das sich am Ende als Flop entpuppt und teilweise nicht mal als Werbung gekennzeichnet wird. Die Folge: Man gibt eine Menge Geld für Dinge aus, die man gar nicht braucht oder die nicht halten, was sie versprechen.
So ging es auch Valeria Fride. „Ich habe viel Geld ausgegeben, um die verschiedenen Dinge auszuprobieren, die Influencer*innen bewerben“, sagte die US-Amerikanerin der New York Post. „Nachdem ich sie benutzt hatte, wurde mir klar, dass ich sie nicht brauchte und dass sie nicht überzeugend waren.“
De-Influencing: Was ist das?
Fride, die an der University of Illinois Chicago Kommunikation studiert, traf aufgrund ihrer Erfahrungen die Entscheidung, De-Influencerin zu werden. „De-Influencing bietet Ehrlichkeit und Transparenz in Bezug auf virale Produkte.“ Sie wolle anderen Menschen helfen, nicht einen Haufen Geld zu verschwenden.
Der Ausdruck De-Influencing meint also das bewusste Abraten von einem Produkt. „Kauf das nicht“, heißt es dann in den Videos. Ein weiteres Beispiel für De-Influencing ist Alyssa Stephanie. Ihr Video wurde auf TikTok mehr als sieben Millionen Mal angeklickt. Darin erzählt Alyssa, welche zumeist teuren Beauty-Produkte ihr Geld nicht wert sind.
Der Trend De-Influencing hat daher mehrere Vorteile:
- Durch das Abraten von einem gehypten (meist) Beauty-Produkt spart man automatisch Geld.
- De-Influencing macht auf den Überkonsum aufmerksam und schärft das Bewusstsein: Brauche ich das wirklich?
- Die Umwelt wird geschont, denn weniger Produkte bedeutet weniger Müll.
De-Influencing: Die Nachteile des TikTok-Trends
Klingt nach einem sinnvollen Trend? Jein. De-Influencing hat eine Kehrseite. Einige De-Influencer (wie beispielsweise Alyssa Stephanie) raten zwar explizit von einem Produkt ab, empfehlen aber gleichzeitig eine preiswerte Alternative. Ein Paradoxon.
Das bestätigt auch Lia Haberman, die an der UCLA Social Media Marketing und Influencer Marketing lehrt. „De-Influencing meint zwar im ersten Moment, das Content Creator ihren Followern sagen, was sie nicht kaufen sollen“, erklärt die Marketing-Expertin. „Doch in vielen Fällen empfehlen sie den Leuten andere Produkte.“
Für Lia Haberman ist De-Influencing daher weniger eine Aussage über den Verbraucherkonsum als vielmehr eine Taktik, um ein Produkt einem anderen vorzuziehen. „Der Markt an Beauty- und Mode-Influencern ist gesättigt, daher müssen Influencer*innen einen Weg finden, sich von der Masse abzuheben – und das gelingt mit De-Influencing.“
Hat De-Influencing Zukunft?
Lia Haberman schätzt, dass De-Influencing ein kurzlebiger Trend ist. „Es funktioniert, solange es nur wenige Influencer*innen gibt, die gegen den Strich gehen. Sobald alle anfangen, es zu tun, verliert De-Influencing jegliche Wirkung.“
Rachel Flynn, Account Managerin bei der PR- und Marketingagentur Four Media Group, sieht De-Influencing als eine spannende Verschiebung in der Influencing-Welt. „Obwohl ich nicht glaube, dass sich De-Influencing mit Blick auf Nachhaltigkeit entwickelt hat, bin ich gespannt, wie der Trend uns dabei helfen kann, uns stärker auf die Umwelt auszurichten“, sagte sie dem britischen Magazin The Standard. „Egal, ob es darum geht, das Bewusstsein für Fast Fashion oder nicht nachhaltige Schönheitsprodukte zu schärfen: Es sind aufregende Zeiten für die Branche.“
Zumal es auch Influencer*innen gibt, die nur von einem Produkt abraten, ohne ein anderes anzupreisen. Wie die TikTokerin Vita Wirt, die ihrer Community ganz ehrlich von etwas abrät ohne gleichzeitig für etwas anderes zu werben.
Fazit: Auch De-Influencing ist Influencing. Der Community wird zwar von einem Kauf abgeraten, das entsprechende Produkt aber dadurch ebenfalls beworben und in einzelnen Fällen auch günstigere Alternativen gezeigt. Doch wenn der Trend am Ende bewirkt, dass wir bewusster kaufen, nebenbei Umwelt und Bankkonto schonen und Influencing authentischer wird, dann ist De-Influencing eine positive Entwicklung.