Hohe Zinsen, ein Risiko für Aktien?
Die zwei Seiten steigender Zinsen
In straffem Tempo hob die US-Notenbank den Leitzins für die USA von 0,00 bis 0,25 Prozent auf 5,25 bis 5,50 Prozent an (Stand: 25. Oktober 2023). Der starke Anstieg blieb nicht ohne Auswirkungen auf den Aktienmarkt, wo es 2022 zu größeren Kursrückgängen kam.
Im März 2022 begann die US-Notenbank die Leitzinsen für die USA anzuheben, um die Inflation auf ein normales Maß zurückzuführen. Andere große Notenbanken folgten dem Beispiel der US-Notenbank. Die Zinswende hat einerseits dazu geführt, dass sich Anlegerinnen und Anleger über bessere Konditionen bei Zinsprodukten freuen können. Andererseits hat ein hohes Zinsniveau einen bremsenden Effekt auf das Wirtschaftswachstum.
Hohe Zinsen verteuern Kredite
Mit steigenden Zinsen erhöhen sich die Kosten für die Aufnahme von Krediten. Unternehmen, die bestehende Darlehen umschulden oder neue Kredite aufnehmen müssen, sind davon besonders betroffen. Beispiele hierfür sind Firmen aus dem Technologiesektor. Diese oftmals noch jungen Unternehmen benötigen für ihr Wachstum in der Regel große Summen an finanziellen Mitteln. Bei Firmen aus den Bereichen Immobilien oder Telekommunikation ist eine starke Verschuldung aufgrund des hohen Investitionsbedarfs ebenfalls keine Seltenheit.
Es gibt jedoch auch Unternehmen, die von den gestiegenen Zinsen profitieren. Neben Banken sind hier die Big-Tech-Firmen Apple, Alphabet oder Microsoft zu nennen. Letztere verfügen über sehr hohe Bestände an Barmitteln, für welche sie Zinsen kassieren.
Gewinnerwartungen der Unternehmen können sinken
Aufgrund höherer Kosten für die Aufnahme von Krediten kann der Gewinn eines Unternehmens sinken, und damit zugleich die Höhe einer möglichen Gewinnausschüttung (Dividende). Verzichtet das Unternehmen jedoch auf die Aufnahme teurer Kredite und verschiebt notwendige Investitionen, kann darunter die Wettbewerbsfähigkeit leiden.
Darüber hinaus verteuern sich die Kredite auch für Verbraucherinnen und Verbraucher. Dies kann dazu führen, dass größere Anschaffungen, deren Finanzierung oftmals über Kredite erfolgt, verschoben werden. Auf Unternehmensseite können daraus geringere Umsätze und ein geringerer Gewinn resultieren.
Bewertungen der Unternehmen können steigen
Wenn Unternehmen versuchen, den Wert ihrer zukünftigen Gewinne heute zu schätzen, verwenden sie einen Zinssatz, den sogenannten Diskontierungssatz. Mit diesem werden die in der Zukunft erwarteten Gewinne abgezinst (diskontiert). Wenn die allgemeinen Zinssätze in der Wirtschaft steigen, steigt auch der Diskontierungssatz. Dies hat zur Folge, dass der heute geschätzte Wert der zukünftigen Gewinne sinkt.
Wenn der Wert der zukünftigen Gewinne sinkt, der Aktienkurs aber unverändert bleibt, erscheint die Aktie im Vergleich teurer. Dies kann vor allem dann problematisch sein, wenn sich der Aktienkurs bereits auf einem hohen Niveau befindet. Ein kurzes Beispiel anhand des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) soll dies verdeutlichen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis ist eine Kennzahl, die den Aktienkurs eines Unternehmens ins Verhältnis zum Gewinn je Aktie setzt. Als einfache Daumenregel kann hierbei gelten: Je niedriger das KGV, desto günstiger die Bewertung einer Aktie. Jedoch sollte das KGV nie als alleinige Entscheidungsgrundlage dienen. Beispiel: Eine Aktie notiert bei 100,00 Euro. Für das kommende Geschäftsjahr wird ein Gewinn von 10,00 Euro je Aktie erwartet. Dividiert man den Kurs durch den Gewinn, erhält man auf Basis des erwarteten Gewinns ein KGV von 10,00.
Sinkt aufgrund eines höheren Diskontierungssatzes der Wert des erwarteten Gewinns je Aktie von 10,00 auf 9,00 Euro, ergibt sich bei gleichem Aktienkurs ein KGV von 11,11. Das gestiegene KGV signalisiert somit eine um 11,11 % höhere Bewertung der Aktie. Notiert die Aktie aufgrund eines vorherigen starken Kursanstiegs bei 150,00 Euro, ergibt sich bei einem erwarteten Gewinn von 9,00 Euro je Aktie ein noch höheres KGV von 16,66.
Anleihen werden als Anlagealternative attraktiver
Eine weitere Auswirkung steigender Zinsen können Anlegerinnen und Anleger für sich nutzen: Anleihen werden bei steigenden Zinsen aufgrund des geringeren Risikos im Vergleich zu Aktien als Anlage attraktiver. Am 25. Oktober 2023 lag beispielsweise die Rendite von US-Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zwei Jahren bei rund 5,1 Prozent. Für Staatsanleihen der Bundesrepublik Deutschland mit einer Laufzeit von zwei Jahren lag die Rendite zum gleichen Zeitpunkt bei rund 3,3 Prozent. Mit diesen Staatsanleihen ist eine hohe Sicherheit verbunden. Immerhin bescheinigen die drei großen Ratingagenturen S&P, Moody’s und Fitch sowohl den USA als auch Deutschland eine sehr gute Kreditwürdigkeit, wobei die Einstufung Deutschlands aktuell einen Tick besser ausfällt als die der USA.
Fazit: Marktumfeld nutzen und Risikostreuung im Depot optimieren
Während die Attraktivität verzinslicher Wertpapiere durch die Zinswende steigt, sind bei Unternehmen Gewinnrückgänge möglich. Dennoch sollten Anlegerinnen und Anleger sich nicht überstürzt von Aktien trennen. Die Unternehmensbeteiligungen sind im Hinblick auf ihre Renditechancen für einen langfristigen Vermögensaufbau nach wie vor interessant. Etwaige Kursrückgänge können bei einem langen Anlagehorizont wieder aufgeholt werden. Zudem ist mit dem Rückgang der Inflation in Zukunft wieder mit sinkenden Zinsen zu rechnen. Der bremsende Einfluss hoher Zinsen auf die Wirtschaft würde dann nachlassen und die Perspektiven für die Unternehmen würden sich verbessern.
Bis dahin können Anlegerinnen und Anleger durch die Beimischung von verzinslichen Anlageprodukten wie z. B. Anleihen das Risiko im Depot reduzieren. Die gestiegenen Renditen dieser Anlageklasse bieten jetzt einen besonderen Anreiz zur Risikostreuung.