Erbe ausschlagen
Wenn man keine Schulden erben möchte
Niemand ist gezwungen, ein Erbe anzunehmen. Wer es ausschlagen möchte, sollte sich über rechtliche Bedingungen gut informieren. Es kann verzwickt werden.
Eine verstorbene Tante vererbt Ihnen alles – das klingt zunächst erfreulich. Doch Vorsicht: Wenn die gute Tante hochverschuldet war, übernehmen Sie auch dieses Erbe. „Als erbende Person treten Sie in die Rechtsposition der verstorbenen Person ein – mit allen Rechten und Pflichten“, sagt Rechtsanwalt Curt Dunse. Das müssen Sie aber nicht.
„Niemand ist gezwungen, ein Erbe anzunehmen“, erklärt Eberhard Rott, Fachanwalt für Erbrecht. Man sollte jedoch nicht leichtfertig mit einer Ausschlagung umgehen. Rechtsanwältin Maria Demirci, ebenfalls spezialisiert auf Erbrecht, gibt zu bedenken: „Eine Ausschlagung kann nur in Ausnahmefällen rückgängig gemacht werden.“
Wenn unklar ist, ob man Schulden oder Vermögen erbt
Sollte man aus Sorge vor Schulden das Erbe ausschlagen, der Nachlass sich aber im Nachhinein als Vermögen herausstellen, hat man ein Problem. Denn: „Die zwar grundsätzlich mögliche nachträgliche Anfechtung der Ausschlagungserklärung wird in der Praxis von den Gerichten häufig nicht anerkannt“, erklärt Rott.
Wenn Sie also Zweifel haben, ob die besagte Tante nun verschuldet war oder vielleicht doch einen Schatz zu vererben hat, könnten Sie das Erbe zwar annehmen, gleichzeitig aber eine Haftungsbegrenzung auf den Nachlass vornehmen. „Damit man im Falle des Falles nicht mit seinem eigenen Vermögen haftet“, erklärt Rott. In einer solchen Situation sollte sich der Erbnehmer aber besser rechtliche Beratung suchen, empfiehlt der Jurist.
Im Zweifel lieber Nachlassverwaltung einschalten
Ein Antrag auf eine Nachlassverwaltung müsse beim Nachlassgericht gestellt werden, erklärt Anwalt Dunse: „Ein vom Gericht bestellter Nachlassverwalter kümmert sich dann um die Begleichung der Schulden und zahlt Ihnen nach Abzug seines Verdienstes einen etwaigen Überschuss aus.“ Sollte der Nachlass nicht einmal für die Kosten des Nachlassverwalters reichen, übernehme der Staat die Kosten.
Sollte ein angenommenes Erbe überschuldet sein, ist es möglich, ein Nachlassinsolvenzverfahren zu beantragen. „Den Antrag stellen Sie beim Insolvenzgericht (Amtsgericht), in dessen Bezirk der Verstorbene wohnte“, erklärt die Verbraucherzentrale. „Mit dem Nachlassinsolvenzverfahren beschränken Sie die Haftung für die Schulden auf den vorhandenen Nachlass. Sie müssen für die Schulden nicht mehr mit Ihrem eigenen Vermögen aufkommen.“
Aber: „Das Verfahren wird dann eröffnet, wenn der Nachlass wenigstens die Kosten des Insolvenzverwalters deckt”, erklärt Experte Dunse. Sei dies nicht der Fall, stelle das Gericht die Dürftigkeit des Nachlasses fest, erläutert auch die Verbraucherzentrale. „Sie erhalten darüber einen entsprechenden Beschluss vom Gericht. Darauf können Sie sich berufen, sollten Gläubiger des Verstorbenen wie Unternehmen oder Banken auf Sie zukommen und Sie zur Zahlung der Schulden auffordern.“
Welche Zwickmühlen und Auswege gibt es noch?
Um die persönliche Haftung für geerbte Schulden zu umgehen, könne eine Erbausschlagung verbunden mit einer Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs sinnvoll sein, rät Anwalt Rott. Dazu müsse man natürlich pflichtteilsberechtigt sein, also zum engen Familienkreis gehören. Anwältin Demirci: „In nur ganz bestimmten, gesetzlich geregelten Fällen kann man trotz Ausschlagung seinen Pflichtanteil verlangen, zum Beispiel als Ehegatte oder wenn die Erbschaft mit Auflagen verbunden ist.“
Ein Problem ist, dass man oft nicht alles über den Nachlass weiß. Man kann nicht etwa zur Bank gehen und fragen, wie viel Geld sich auf dem Konto der besagten Erbtante befindet. Die Banken dürfen nur bei Vorlage eines Erbscheins Auskunft erteilen. Doch Vorsicht: „Spätestens mit der Beantragung eines Erbscheins, gilt die Erbschaft als angenommen“, so Demirci.
Wenn allseits bekannt ist, dass die vererbende Tante nur Schulden hinterlässt, kann man das Erbe ausschlagen. Oder wenn das Erbe mit Auflagen verbunden ist, die einem nicht zusagen. Sollte die Tante beispielsweise den Nachlass nur dann ihren Nachfahren vermachen, wenn diese ein Studium abgeschlossen haben.
Achtung: Sechs-Wochen-Frist einhalten!
Wichtig: Will man das Erbe ausschlagen, muss dies innerhalb einer Frist von sechs Wochen geschehen. „Die Frist beginnt ab dem Zeitpunkt, an dem die erbende Person Kenntnis von ihrer Berufung als Erb*in erlangt“, erklärt Rott. Das könne unter Umständen auch lange nach dem Tod des Erblassers sein. Die Sechs-Wochen-Frist sei unbedingt zu beachten. „Verstreicht die Frist, ohne dass eine Ausschlagung erklärt wurde, gilt das Erbe kraft des Gesetzes als angenommen.“
In Ausnahmen könne die Frist auf sechs Monate verlängert werden, wenn sich die erbende Person bei Beginn der Frist etwa im Ausland befindet, erklärt Rott. Der Fachanwalt warnt aber: „Nach neuerer Rechtsprechung reicht ein Tagesausflug in das benachbarte Ausland nicht aus“.