Erbverzicht: Ein „Reset“ für das Erbe

Vor- und Nachteile eines Erbverzichts

Familie 5 min Lesedauer 16.05.2024
erbverzicht

Freiwillig auf sein Erbe oder zumindest den Pflichtteil verzichten? Was im ersten Moment nach einer eher schlechten Idee klingt, kann durchaus Vorteile haben – sowohl für diejenigen, die vererben, als auch diejenigen, die auf das Erbe verzichten.

„Grundsätzlich gehört der Erbverzicht in die Reihe von Verträgen, die man zu Lebzeiten macht, um das Vererben individueller und leichter zu machen“, erklärt Eberhard Rott, Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge (AGT). Denn: Wer auf sein Erbe verzichtet, der geht nicht zwangsläufig leer aus.

Der Erbverzicht im Detail

Grob gesagt bedeutet der Erbverzicht:

  • Die Erbenden verzichten bereits zu Lebzeiten der Erblasserin oder dem Erblasser auf das Erbe. Das ist ein großer Unterschied zum Erbe ausschlagen, welches erst im Todesfall möglich ist.
  • Die Erbenden können dabei auf den gesetzlich zustehenden Pflichtanteil (Pflichttsteilsverzicht), bestimmte Bruchteile oder aber das gesamte Erbe verzichten.
  • Auch Bedingungen oder zeitliche Befristungen können bei einem Erbverzichtsvertrag gestellt werden.
  • Als Gegenleistung können die Erbenden eine Abfindung bekommen. Ein Muss ist das aber nicht.

Da ein Erbverzicht weitreichende Folgen haben kann, sind vor allem zwei Dinge wichtig:

  • Er funktioniert nur im gegenseitigen Einverständnis. Das heißt: Sowohl die erbende Person, also auch die Person, die etwas vererbt, müssen dem Verzicht zustimmen. „Niemand kann gezwungen werden, einen Erbverzicht zu unterschrieben“, sagt Rott.
  • Der Verzichtsvertrag muss notariell beglaubigt werden. „Ein Erbverzicht kann nicht im stillen Kämmerlein ausgemacht werden – und schon gar nicht mündlich“, sagt der Anwalt. „Anders als bei einem Testament, muss für die Unterzeichnung des Vertrages neben beiden Parteien auch eine Notarin oder ein Notar anwesend sein.“

Wann ist ein Erbverzicht sinnvoll?

Grundsätzlich ist ein solcher Erbverzicht nur für Verwandte des Vererbenden möglich. Als Unterfall des Erbverzichts kommt auch ein bloßer Pflichtteilsverzicht in Betracht – dieser bietet sich als Lösung für die gesetzlichen Erben an. Für Rott ist der Erbverzicht eine Art „Reset der Erbverteilung“: „Sie können mit dem Erbverzicht die Aufteilung des Erbes von all den Zwängen – etwa Pflichtanteilen – befreien und praktisch mit der Verteilung nochmal von vorne anfangen“, sagt er. Ein Erbverzicht ist seiner Ansicht nach vor allem dann sinnvoll, wenn ein Erblassender genau weiß, wie der Nachlass individuell geregelt werden soll. „Denn durch eine letztwillige Verfügung, insbesondere ein Testament, kann dem Verzichtenden wieder etwas aus dem Vermögen zugewandt werden, dann aber ganz gezielt und losgelöst von den gesetzlichen Einschränkungen“, so Rott. Das kann vor allem in folgenden Fällen sinnvoll sein:

  • Unternehmensnachfolge regeln: Erblasser und Erblasserinnen können schon zu Lebzeigen bestimmen, wer den Betrieb übernimmt/erbt und vermeiden möglicherweise langwierige Erbauseinandersetzungen und einen Liquiditätsabfluss, der das Unternehmen gefährden könnte.
  • Ungewöhnliche Familienkonstellationen: „Wer zum Beispiel das zweite Mal heiratet und den neuen Ehepartner absichern möchte, kann mit den Kindern aus erster Ehe einen Erbverzichtsvertrag machen“, sagt Rott. „Oder aber die neue Ehefrau verzichtet per Vertrag.“
  • Trennung ohne Scheidung: „Es gibt Fälle, in denen trennen sich Partner, lassen sich aber aus bestimmten Gründen nicht scheiden – etwa materiellen, wie einer Krankenversicherung oder Rentenansprüchen“, sagt Rott. „Wer die Erbansprüche ausklammern will, für den ist ein Erbverzicht sinnvoll.“
  • Immobilien vor Zerschlagung oder Verkauf bewahren: Damit nach einem Todesfall eine Immobilie nicht unter den Erbenden aufgeteilt und dann womöglich verkauft werden muss, kann über einen Erbverzicht nachgedacht werden.
  • Gemeinnützig vererben: Wer mit seinen Kindern lebzeitig einen Erbverzichtsvertrag macht, der kann sein gesamtes Erbe einer gemeinnützigen Organisation vermachen. „Kinder oder Ehegatten können dann nicht die Pläne mit ihren Erb- und Pflichtteilsansprüchen über den Haufen werfen“, sagt Rott.
  • Erben brauchen vorzeitig Geld: Da häufig ein Erbverzicht mit einer Abfindung als Gegenleistung einhergeht, können die verzichteten Erbenden schon zu Lebzeiten des Erblassenden an Geld kommen – und etwa ein Studium oder eine Ausbildung finanzieren oder eine Immobilie kaufen. Die Abfindung wird dann als vorgezogenes Erbe gemäß den Vorgaben zur Erbschaftsteuer versteuert.

Worauf wird im Detail verzichtet?

Wer bei einem Erbverzicht auf das gesamte Erbe verzichtet, der schließt auch seine Kinder aus. „Dann ist das im Erbrecht so, als wären Sie nie geboren und Ihre Kinder gibt es dann in der Erbfolge entsprechend auch nicht. Die Enkel gehen dann im Todesfall der Großeltern ebenfalls leer aus“, sagt Rott. Verzichtende können weiterhin erben, wenn nur auf den Pflichtanteil verzichtet wird. „Das kann dann individuell im Testament geregelt werden“, sagt Rott.

Gibt es einen Weg zurück?

Ein Erbverzichtsvertrag ist nicht so leicht wieder rückgängig zu machen. „Der Vertrag kann nur in beiderseitigem Einverständnis aufgehoben werden – und dann wieder nur bei einem Notar“, sagt Rott. Wichtig: Das geht nur zu Lebzeiten, ist der Erblasser oder die Erblasserin verstorben, kann der Erbverzicht an sich nicht mehr angefochten werden.

Wann ist ein Erbverzicht ungültig?

Experte Rott kennt Fälle, bei denen nach dem Tod des Erblassers oder der Erblasserin der Vertrag vor Gericht wegen Sittenwidrigkeit angegangen wurde. „Leider passiert es ab und zu, dass die Situation der Erben und ihre wirtschaftliche Unerfahrenheit ausgenutzt wird“, sagt Rott. Deshalb sei ein guter Notar oder eine gute Notarin wichtig, der oder die auch vor ausgesprochenen Missverhältnissen warne.

Ansonsten rät Rott: „Reden Sie offen mit allen Beteiligten und sprechen Sie auch über ihre Vermögensverhältnisse. Machen Sie eine Art Probesterben und testen damit bereits zu Lebzeiten, ob alles funktioniert. Dann kommt es auch später zu keinem Streit und alles ist sinnvoll geregelt.“

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