Fachkräftemangel und Arbeitslosigkeit
Wie kann das sein – läuft da was schief?
Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist zwar angespannt, aber der Arbeitsmarkt zeigt sich robust. Fachkräfte sind nach wie vor gefragt, viele Firmen suchen sie teils händeringend. Und dennoch waren deutschlandweit zum Jahreswechsel 2023/24 gut 2,63 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet.
Gleichzeitig waren im Dezember 2023 allein bei der Bundesagentur für Arbeit insgesamt 713.000 offene Stellen registriert. Fachkräftemangel und Arbeitslosigkeit – ein Widerspruch? Fachleute verneinen das.
Welche Gründe es für die Fachkräftelücke und die Arbeitslosigkeit gibt
„Der Arbeitsmarkt ist nicht homogen“, sagt Olga Schwalbe von der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Einerseits gebe es einen zunehmenden Engpass bei Fachkräften, die in mehr und mehr Branchen knapp werden. Andererseits sei es für Menschen, die ihren Job verlieren, schwerer, wieder eine Arbeit zu finden. Dies gelte vor allem, wenn ein Berufsabschluss fehlt. Der Großteil der gemeldeten Stellen, nämlich acht von zehn, richte sich an Fachkräfte und Akademiker*innen. Für Geringqualifizierte gibt es demnach nur wenige offene Stellen. Zu dem fachlichen Aspekt kommt oft auch noch ein regionaler: „Da Arbeit und Menschen nur in einem gewissen Ausmaß regional mobil sind, verstärken die regionalen Disparitäten häufig den Fachkräftedruck“, erklärt Schwalbe
Welche Faktoren bei Fachkräftemangel und Arbeitslosigkeit auch eine Rolle spielen
Selbst eine abgeschlossene Ausbildung ist kein Garant dafür, nicht arbeitslos zu werden. Schließlich ist nicht jede qualifizierte Fachkraft gleichermaßen gefragt. Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) konkurrieren in Deutschland etwa jeweils 25 arbeitslose Fachkräfte der Musikpädagogik um eine gemeldete offene Stelle – dagegen könne sich jede*r arbeitslose Mechatroniker*in hierzulande eine Stelle aus fünf Arbeitsplatzangeboten aussuchen.
Jobsuchende einfach weiterbilden? Das ist nicht immer die ideale Lösung. Denn die Weiterbildung müsse zu den Neigungen und Talenten der Person passen, erklärt das IW.
Weitere Gründe für die Fachkräftelücke trotz Arbeitslosigkeit
Wer seine Arbeit verliert, findet nicht sofort wieder den idealen neuen Job. Die meisten müssen eine Weile suchen. Eine solche Phase ist aus Sicht des Instituts der deutschen Wirtschaft nicht nur normal, sie kann bis zu einem gewissen Grad sogar gesamtwirtschaftlich effizient sein. Schließlich sind Arbeitnehmende in einem Job, in dem sie sich wohlfühlen, produktiver als in einem, den sie nur antreten, um nicht länger arbeitslos zu sein.
Ein weiterer Grund für die Fachkräftelücke: Vermittlungshemmnisse. Dazu zählen etwa ein fortgeschrittenes Alter arbeitsloser Frauen und Männer oder gesundheitliche Einschränkungen. Als weitere Vermittlungshemmnisse nennt das IW:
- Verlernen sozialer Kompetenzen, etwa pünktlich zur Arbeit zu kommen,
- Probleme bei der Vereinbarkeit von Kindern und Job,
- Alkohol- oder Drogenabhängigkeit sowie Verschuldung.
Demografischer Wandel in Deutschland reißt Fachkräftelücke
Die Gesellschaft in Deutschland altert – auch das wird einen „entscheidenden Einfluss auf den herrschenden Fachkräftemangel haben“, schreibt das Bundeswirtschaftsministerium auf seiner Website. Demnach wird laut Vorausberechnungen die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (20 bis 65 Jahre) bereits im Jahr 2030 um 3,9 Millionen Menschen auf 45,9 Millionen Menschen sinken. Im Jahr 2060 sind es dann schon 10,2 Millionen weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter.
Wo die Fachkräftelücke am größten ist
Nach einem Report der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) vom November 2023 gibt es Personalengpässe in der „Breite der Wirtschaft“ – sie ziehen sich durch alle Branchen und Berufe. „Einige Branchen sprechen nicht nur von Lücken bei Fachkräften, sondern von einem allgemeinen Mangel an Arbeitskräften“, sagt der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks.
Prominent ist von einem Fachkräftemangel in Kindergärten und Kitas die Rede. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft kommt zwar zu dem Ergebnis, dass es bis 2026 deutschlandweit rund 152.000 Erzieher*innen mehr geben könnte als 2021. Allerdings sei das immer noch zu wenig, weil der Bedarf an qualifiziertem Personal stärker wachse. Bis 2026 dürften immer noch 23.000 Erzieher*innen fehlen. Ähnlich werde es in der Kranken- und Altenpflege aussehen. Auch hier würden mehr Menschen tätig, doch der Bedarf sei immer noch nicht gedeckt.